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ak lausei uns af thamma ubilin; unte theina ist thiudangardi
sondern löse uns ab diesem Übel; denn dein ist (das) Herrscherhaus
jah mahts jah vulthus in ainvins. Amen.
und (die) Macht und (der) Glanz in Ewigkeit. Amen.
Althochdeutsche Zeit.
(Bis ums Jahr 1100.)
3. Neste -er ältesten Dichtung.
W. Scherer.
„Das erfuhr ich unter den Menschen als der Wunder größtes, daß
einst Erde nicht war, noch der Himmel darüber, daß heller Stern nicht
leuchtete und die Sonne nicht schien, noch der Mond, noch das herrliche
Meer."
So ungefähr beginnt eine Aufzeichnung des achten oder neunten
Jahrhunderts, die in ein Gebet endigt, das sogenannte Wessobrunner
Gebet. Es ist der Anfang eines sächsischen Gedichtes, in Bayern nieder¬
geschrieben. Ein isländisches Lied schildert das uranfängliche chaotische
Dunkel noch deutlicher: „Da war nicht Sand, nicht See, nicht salzige Welle,
gähnender Abgrund und Gras nirgends, Sonne, Mond und Sterne
wußten nicht, wo sie Kraft und Platz hätten."
Aus den übereinstimmenden Vorstellungen von Gedichten entlegener
Heimat schließen wir auf eine gemeinsame Grundlage höchsten Altertumes.
Wir glauben einen Ton aus der germanischen Urzeit, aus dem Heiden¬
tum unserer Vorfahren zu vernehmen. Und solche Töne erklingen spär¬
lich; sie sind es wert, daß wir sorgfältig darauf horchen.
Die erste Zeile jener bayrischen Aufzeichnung lautet im Original:
„Dat gafregin ih mit firahim firiwizzo m&stä.“ Sagt man sich die
Worte laut vor, so werden leicht die drei f ins Ohr fallen. Die drei
gleichen Wortanfänge dienen den acht Takten des Verses zum Schmuck
und zum Bindemittel. Die Allitteration ist mit Sicherheit für die alt¬
germanische Poesie als ein unentbehrliches Element der Verstechnik vor¬
auszusetzen.
Sehen wir ab von der Allitteration und dem veränderten Sprach-
material, so steht die germanische Poesie im wesentlichen noch auf der
ursprünglichen Stufe. Sie verfügt über dieselben technischen Mittel; sie
widmet denselben Dichtungsgattungen ihre Pflege.
Der Schwerpunkt liegt auch hier noch in der Massenpoesie. Ein
Chor ist der Träger. Die Einzelnen sind ihm untergeordnet; sie lösen
sich langsam ab als Vorsänger, Vortänzer oder Schauspieler. Das Chor¬
lied umfaßt lyrische, epische, dramatische Elemente. Es wird mit Gesang,