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II. Sprüche und Sentenzen.
1. Johann Wolfgang v. Goethe.
Was verkürzt mir die Zeit?
Thätigkeit!
Was macht sie unerträglich lang?
Müßiggang!
Was bringt in Schulden?
Harren und Dulden!
Was macht gewinnen?
Nicht lange besinnen!
Was bringt zu Ehren?
Sich wehren!
Liegt dir Gestern klar und offen.
Wirkst du heute kräftig frei;
Kannst auch auf ein Morgen hoffen,
Das nicht minder glücklich sei.
Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah'.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.
Wer mit dem Leben spielt,
Kommt nie zurecht;
Wer sich nicht selbst befiehlt,
Bleibt immer ein Knecht.
Zwischen heut' und morgen
Liegt eine lange Frist;
Lerne schnell besorgen.
Weil du noch munter bist.
Anmut bringen wir (die Grazien) ins Leben.
Leget Anmut in das Geben,
Leget Anmut ins Empfangen;
Lieblich ist, den Wunsch erlangen,
Und in stiller Tage Schranken
Höchst anmutig sei das Danken.
Vielfach ist der Menschen Streben,
Ihre Unruh', ihr Verdruß;
Auch ist manches Gut gegeben,
Mancher liebliche Genuß;