Full text: Geschichte des Mittelalters (Teil 2)

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Erste Periode des Mittelalters. 
in dieser Beziehung abging, das hatte seine Gemahlin Theodora 
(§• 16, 6) in hohem Grade. Diese war die Tochter eines Bärenwärters 
am kaiserlichen Hose und trat in ihrer Jugend als Tänzerin auf. Sie 
streifte später den ihr anhaftenden Leichtsinn ab und führte ein ein¬ 
gezogenes Leben. Justinian lernte sie kennen und wurde von ihrer 
Schönheit und Klugheit so gefesselt, daß er sie zur Kaiserin erhob und 
vom Patriarchen von Konstantinopel krönen ließ. Theodora wurde als 
Mitkaiserin anerkannt, und übte einen großen Einfluß auf die Regierung 
aus; bei Gesetzen und Inschriften wurde ihr Name nie vergessen. 
Hof und Volk waren zu dieser Zeit sittlich entartet und fanden außer 
an religiösen Streitfragen nur Gefallen an den rohen Vergnügungen 
der Rennbahn. Zwei Parteien, nach den Farben ihrer Wagenlenker 
im Cirkus die Blauen und die Grünen genannt, standen sich 
eifersüchtig gegenüber, bekämpften sich in allen öffentlichen Angelegen¬ 
heiten und wirkten dadurch nachteilig auf Staat und Kirche, auf 
Sitte und Volksleben. Als 532 abermals blutige Streitigkeiten 
zwischen den Blauen und Grünen ausbrachen, schritt der Kaiser da¬ 
gegen ein. Da einigten sich die Entzweiten wider die Regierung und 
plünderten die Hauptstadt, sodaß viele Gebäude, namentlich der Sophien¬ 
tempel Konstantins, in Flammen aufgingen. Justinian geriet bei 
diesem Aufstande, der nach dem Rufe der Empörer „Nika" — (Sieg) 
Aufstand genannt wurde, in große Gefahr. Vergebens ver¬ 
sprach er Amnestie, die Menge setzte ihn ab und bedrängte den 
kaiserlichen Palast. Schon dachte er an Flucht, allein Theodora hielt 
ihn zurück. Sie hatte sich einst, als ihr die Grünen die Bitte um 
eine Stelle für ihren Stiefvater abgeschlagen hatten, den Blauen 
angeschlossen, jetzt gewann sie die aufständigen Blauen wieder für sich. 
Aus ihr Geheiß sammelte der Feldherr Belisar 3000 zuverlässige 
Soldaten, besiegte die Grünen und stellte das Ansehen der Regierung 
wieder her. An 30 000 Menschen sollen bei diesem Aufstande ums 
Leben gekommen sein. Die Rennbahn wurde geschlossen. 
Justinian sicherte die Nordgrenze seines Reiches gegen die Bul¬ 
garen durch Anlegung fester Plätze an der Donau; im Osten zwang 
er durch feinen Feldherrn Belisar die unruhigen Perser zum Frieden 
und errichtete Verschanzungen gegen dieselben. Dann suchte er, das alte 
römische Reich unter seinem Zepter wieder zu vereinigen und mischte 
sich in die Angelegenheiten des Westens (§. 10). Er ließ durch 
Belisar das Vandalenreich in Afrika erobern und das Ost- 
gotenreich in Italien angreifen, dessen Unterwerfung Bellfars 
Nachfolger Narses vollendete. Währenddessen sammelte der kaiser-
	        
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