Full text: [Teil 4 = Tertia, [Schülerband]] (Teil 4 = Tertia, [Schülerband])

364 
förmige Wolken, die mit ihren Spitzen an der Erde Hingleiten, steigt 
der Sand dampfartig durch die luftdünne, elektrisch geladene Mitte des 
Wirbels empor, gleich den rauschenden Wasserhosen, die der erfahrene 
Schiffer fürchtet. Ein trübes, fast strohfarbiges Halblicht wirft die nun 
scheinbar niedrigere Himmelsdecke auf die verödete Flur. Der Horizont 
tritt plötzlich näher. Er verengt die Steppe, wie das Gemüt des 
Wanderers. Die heiße, staubige Erde, welche im nebelartig verschleierten 
Dunstkreise schwebt, vermehrt die erstickende Luftwärme. Statt Kühlung 
führt der Ostwind neue Glut herbei, wenn er über den langerhitzten 
Boden hinweht. 
Auch verschwinden allmählich die Lachen, welche die gelb gebleichte 
Fächerpalme vor der Verdunstung schützte. Wie im eisigen Norden die 
Tiere durch Kälte erstarren, so schlummert hier, unbeweglich, das Kro¬ 
kodil und die Boa-Schlage tief vergraben in trockenem Letten. Überall 
verkündigt Dürre den Tod; und doch überall verfolgt den Dürstenden, 
im Spiele des gebogenen Lichtstrahls, das Trugbild des wellenschlagenden 
Wasserspiegels. Ein schmaler Luftstreifen trennt das ferne Palmen¬ 
gebüsch vom Boden. Es schwebt durch Kimmung gehoben bei der 
Berührung ungleich erwärmter und also ungleich dichter Luftschichten. 
In finstere Staubwolken gehüllt, von Hunger und brennendem Durste 
geängstigt, schweifen Pferde und Rinder umher: diese dumpf aufbrüllend, 
jene mit langgestrecktem Halse gegen den Wind anschnaubend, um durch 
die Feuchtigkeit des Luftstroms die Nähe einer nicht ganz verdampften 
Lache zu erraten. 
Bedächtiger und verschlagener, sucht das Maultier auf andere 
Weise seinen Durst zu lindern. Eine kugelförmige und dabei viel- 
rippige Pflanze, der Melonen-Kaktus, verschließt unter seiner stacheligen 
Hülle ein wasserreiches Mark. Mit dem Vorderfuße schlägt das Maul¬ 
tier die Stacheln seitwärts und wagt es dann erst, die Lippen behutsam 
zu nähern und den kühlen Distelsaft zu trinken. Aber das Schöpfen 
aus dieser lebendigen vegetabilischen Quelle ist nicht immer gefahrlos; 
oft sieht man Tiere, welche von Kaktus-Stacheln am Hufe gelähmt sind. 
Folgt auf die brennende Hitze des Tages die Kühlung der hier 
immer gleich langen Nacht, so können Rinder und Pferde selbst dann 
nicht sich der Ruhe erfreuen. Ungeheure Fledermäuse saugen ihnen 
während des Schlafes vampyrartig das Blut aus, oder hängen sich an 
dem Rücken fest, wo sie eiternde Wunden erregen, in welche Mosquitos, 
Hippobosken und eine Schar stechender Insekten sich ansiedeln. So 
führen die Tiere ein schmerzenvolles Leben, wenn vor der Glut der 
Sonne das Wasser auf dem Erdboden verschwindet. 
Tritt endlich nach langer Dürre die wohlthätige Regenzeit ein, so 
verändert sich plötzlich die Scene in der Steppe. Das tiefe Blau des 
bis dahin nie bewölkten Himmels wird lichter. Kaum erkennt man bei
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.