Full text: [Teil 4 = Tertia, [Schülerband]] (Teil 4 = Tertia, [Schülerband])

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32. Abseits. 
1. Es ist so still; die Heide liegt 
Im warmen Mittagssonnenstrahle, 
Ein rosenroter Schimmer fliegt 
Um ihre alten Gräbermale; 
Die Kräuter blühn; der Heideduft 
Steigt in die blaue Sommerluft. 
2. Laubkäfer hasten durchs Ge¬ 
sträuch 
In ihren goldnen Panzerröckchen, 
Die Bienen hängen Zweig um Zweig 
Sich an der Edelheide Glöckchen; 
Die Vögel schwirren aus dem Kraut — 
Die Luft ist voller Lerchenlaut. 
3. Ein halbverfallen, niedrig Haus 
Steht einsam hier und sonnbeschienen; 
Der Kätner lehnt zur Thür hinaus, 
Behaglich blinzelnd nach den Bienen; 
Sein Junge auf dem Stein davor 
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr. 
4. Kaum zittert durch dieMittagsruh 
Ein Schlag der Dorfuhr, der ent¬ 
fernten; 
Dem Alten fällt die Wimper zu, 
Er träumt von seinen Honigernten. 
— Kein Klang der aufgeregten Zeit 
Drang noch in diese Einsamkeit. 
Theodor Storm. 
33. Äie 
1. Ich kenne einen deutschen Strom, 
Der ist mir wert und lieb vor allen, 
Umwölbt von ernster Eichen Dom, 
Umgrünt von kühlen Buchenhallen. 
Ihn hat nicht wie den großen Rhein 
Der Alpe dunkler Geist beschworen, 
Ihn hat der friedliche Verein 
Verwandter Ströme still geboren. 
2. So taucht die Weser kindlich 
auf, 
Von Bergen traulich eingeschlossen, 
Und kommt im träumerischen Lauf 
Durch grüne Au'n herabgeflossen; 
So windet sie mit leichtem Fuß 
Zum fernen Meere sich hernieder 
Und spiegelt mit geschwätzigem Gruß 
Der Ufer sanften Frieden wieder. 
3. Doch hat sie in der Zeiten Flug 
Gar manche große Mär' erfahren, 
Und ihre stille Woge trug 
Viel Herrliches in fernen Jahren. 
Weser. 
Sie sah in ihrer Wälder Schoß 
Des Adlers Siegerflügel wanken 
Und von der deutschen Arme Stoß 
Der ew'gen Roma Säulen schwanken. 
4. Und als mit fester Eisenhand 
Held Karl den deutschen Scepter 
führte, 
Da war es, wo im Weserland 
Sich manche Stimme mächtig rührte; 
Da hörte man des Kreuzes Ruf 
Mit hellem Klang von den Gestaden 
Und sah der Frankenrosse Huf 
Sich in den nord'schen Wellen baden. 
5. So meldet sie dir manchen Traum 
Aus ihrer Vorzeit grauen Tagen 
Und sieht dabei des Lebens Baum 
Stets frisch an ihren Ufern ragen; 
Es glänzen in der lichten Flut 
Der Klöster und der Burgen 
Trümmer, 
Des Mondes und der Sonne Glut, 
Des Turmes und derSegelSchimmer.
	        
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