Vorwort.
Wenn die unterzeichneten Herausgeber es unternommen haben, die
große Zahl der an höheren Schulen gebrauchten Lesebücher noch durch
ein neues zu vermehren, so war für sie zunächst die Erwägung ma߬
gebend, daß die Mehrzahl derselben vorzugsweise für Gymnasien be¬
stimmt ist, daß es dagegen an einem besonderen Lesebuch für die Real¬
schule und die ihr verwandten Anstalten (Kadettenhäuser, Gewerbeschulen,
höhere Bürgerschulen) bisher gefehlt hat. Nun hat aber der deutsche
Unterricht, wie jeder Sachkundige zugeben wird, für die Realschule eine
weit größere Bedeutung als für das Gymnasium. Dies ergiebt sich
schon aus dem Unterschied der an beiden Anstalten für das Deutsche
angesetzten Stundenzahl. Die sächsische Realschule I. Ordnung hat in 8
Klassen mindestens 31 Stunden Deutsch — also durchschnittlich fast 4
Stunden in jeder Klasse — die sächsische Realschule II. Ordnung in
5 Klassen 22 Stunden — durchschnittlich 4,4 Stunden — das sächsische
Gymnasium in 9 Klassen nur 23 Stunden — durchschnittlich etwa
2,5 Stunden. In den Unterklassen der Realschule bildet das Deutsche
geradezu den Mittelpunkt, an welchen sich die anderen Fächer anlehnen.
Im Hinblick auf diese grundlegende Stellung des deutschen Unter¬
richts in der Realschule mußte das für sie bestimmte Lesebuch vor allem
durch sorgfältige Auswahl gediegener Lesestücke danach streben, nicht nur
die Bereicherung des Wissens, sondern in noch höherem Grade die Be¬
lebung der Phantasie, die Ausbildung des Natur- und Schönheitssinnes,
die Stärkung des religiös-sittlichen Gefühls und der vaterländischen Ge¬
sinnung zu fördern, überhaupt das jugendliche Gemüt für alles Gute
und Schöne empfänglich zu machen, es mit nachhaltiger Begeisterung
für die idealen Güter des Lebens zu erfüllen. Hierzu kam, daß das
neue Lesebuch in Bezug auf die übrigen Unterrichtsgegenstände aus¬
schließlich den Lehrplan und die Methode der Realschule ins Auge zu
fassen hatte. Demzufolge mußte es bei den geschichtlichen Abschnitten
größeres Gewicht auf die vaterländische Geschichte legen als auf die des
Altertums, welche gleichwohl gebührend berücksichtigt worden ist. Auch
Geographie und Naturwissenschaften mußten dem Lehrplan der Real¬
schule entsprechend bedacht werden. Endlich übte auf die Auswahl der
Lesestücke einen ganz wesentlichen Einfluß die Anforderung, daß jedes
derselben für die Gewinnung des grammatischen Lernstoffes sich ver¬
wenden lasse.
Außer diesen für die Bedürfnisse der Realschule maßgebenden Ge¬
sichtspunkten bestimmte die Unterzeichneten zur Herausgabe des vor-
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