Full text: (Für das 8. und 9., resp. 10. Schuljahr) (Band 4, [Schülerband])

I. Abteilung 
1. Vaterland und Muttersprache. 
^as Land, auf dem wir wohnen, so hat's Gott geordnet, tritt 
mit uns Menschen in eine Fühlung der mannigfaltigsten Art. Die 
Lust, die wir atmen, dert Pfad, den wir wandeln, das Rauschen des 
Meeres an der Düne, dest^Gesang der Vögel im Walde, das Gewächs 
des Weinstocks und das Korn des Feldes, der Blick des schweifenden 
Auges über die rote Heide oder auf die blauen Berge — das sind 
lauter Elementargeister, die wundersam heimlich, aber kräftig, unser 
Wesen durchdringen und uns mit dem Lande vermählen. „Die Ger¬ 
manen selbst," sagt Tacitus, „möchte ich für Eingeborene halten, nie 
und nirgends durch fremder Völker Einwanderung und Ansiedelung 
gemischt. Wer möchte auch — abgesehen von den Gefahren des stür¬ 
mischen, unbekannten Meeres — Asien oder Afrika oder Italien ver¬ 
lassen, um nach Germanien zu ziehen, einem Lande ohne Schönheit, 
mit rauhem Klima, unerfreulich dem Bebauer, wie dem Beschauer — 
es sei denn ein Vaterland?" Als unter Karl dem Großen dem 
trotzigen Stamm der Sachsen das Evangelium aufgedrungen worden 
war, da wehrten sich die Deutschen der westfälischen Berge, obwohl 
sie Christus als ihren Himmelskönig ergriffen, gegen das Fremdlän¬ 
dische, indem sie in ihren Heldengesängen von Christus Kanaan schil¬ 
derten wie Deutschland — um die Bethlehemsburg hüteten Wächter 
nicht morgenländische Schafe, sondern sächsische Rosse, der Sturm auf 
dem See Genezareth wandelte sich in einen Sturm des deutschen 
Meeres am Nordstrand, und auf der Hochzeit zu Kana tranken die 
Gäste Met in der sächsischen Halle. Das war immer echt deutsche Art, 
sich zwar das Ausland zu beschauen, dann aber mit neuer Lust nach 
Deutschland heimzukehren. Walter von der Vogelweide singt 
um 1200 in dem Lied von den deutschen Frauen: 
Mailänder, Deutsches Lesebuch. IV. 
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