Full text: (Für das 8. und 9., resp. 10. Schuljahr) (Band 4, [Schülerband])

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non der einen Hemisphäre in die andere übergeht, allmählich die Sterne 
niederer werden nnb znletzt verschwinden sieht, welche man von seiner 
ersten Kindheit an kennt. Nichts erinnert einen Reisenden lebhafter an 
die nnermeßliche Entfernung seines Vaterlandes, als der Anblick eines 
neuen Himmels. Die Gruppierung der großen Sterne, einige zerstreute 
Nebelsterne, welche an Glanz mit der Milchstraße wetteifern, und Räume, 
welche durch eine außerordentliche Schwärze ausgezeichnet sind, geben 
dem südlichen Himmel eine eigentümliche Physiognomie. Dieses Schau¬ 
spiel seht selbst die Einbildungskraft derjenigen in Bewegung, welche, 
ohne Unterricht in den höheren Wissenschaften, das Himmelsgewölbe 
gern betrachten, wie man eine schöne Landschaft oder eine majestätische 
Aussicht bewundert. Man hat nicht nötig, Botaniker zu sein, um die 
heiße Zone bei dem bloßen Anblick der Vegetation zu erkennen; ohne 
Kenntnis in der Astronomie erlangt zu haben, ohne mit den Himmels¬ 
karten von Flamstead und La Caille vertraut zu sein, fühlt man, daß 
man nicht in Europa ist, wenn man das ungeheure Sternbild des 
Schiffs oder die phosphoreszierenden Wolken Magellans am Horizont 
aufsteigen sieht. Die Erde und der Himmel, alles nimmt in der Äqui- 
uoktialgegend einen fremden Charakter an. 
Die niederen Gegenden der Luft waren seit einigen Tagen mit 
Dämpfen angefüllt. Wir sahen erst in der Nacht vom 4. zum 5. Juli 
(1799) im 16. Grade der Breite das Kreuz des Südens zum ersten 
Male deutlich; es war stark geneigt und erschien von Zeit zu Zeit 
zwischen Wolken, deren Mittelpunkt, von dem Wetterleuchten gefurcht, 
ein silberfarbenes Licht zurückwarf. Wenn es einem Reisenden erlaubt 
ist, von seinen persönlichen Rührungen zu reden, so sehe ich hinzu, daß 
ich in dieser Nacht einen der Träume meiner ersten Jugend in Er¬ 
füllung gehen sah. 
Wenn man ansängt, den Blick ans geographische Karten zu heften 
und die Beschreibungen der Reisenden zu lesen, so fühlt man eine ge¬ 
wisse Art von Vorliebe für gewisse Länder und Klimate, von welcher 
man sich in einem höheren Alter nicht wohl Rechenschaft geben kann. 
Diese Eindrücke haben einen merkbaren Einfluß auf unsere Entschlüsse, 
und wir suchen uns wie instinktmäßig mit den Gegenständen in Be¬ 
ziehung zu sehen, welche seit langer Zeit einen geheimen Reiz für uns 
hatten. In einer Epoche, wo ich den Himmel studierte, nicht um mich 
der Astronomie zu widmen, sondern um die Sterne kennen zu lerneu, 
wurde ich von einer Furcht in Bewegung gesetzt, welche denjenigen un¬ 
bekannt ist, die eine sitzende Lebensart lieben. Es schien mir schmerz¬ 
haft, der Hoffnung zu entsagen, die schönen Sternbilder zu sehen, welche 
in der Nähe des Südpols liegen. Ungeduldig, die Gegenden des Äqua-
	        
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