482
non der einen Hemisphäre in die andere übergeht, allmählich die Sterne
niederer werden nnb znletzt verschwinden sieht, welche man von seiner
ersten Kindheit an kennt. Nichts erinnert einen Reisenden lebhafter an
die nnermeßliche Entfernung seines Vaterlandes, als der Anblick eines
neuen Himmels. Die Gruppierung der großen Sterne, einige zerstreute
Nebelsterne, welche an Glanz mit der Milchstraße wetteifern, und Räume,
welche durch eine außerordentliche Schwärze ausgezeichnet sind, geben
dem südlichen Himmel eine eigentümliche Physiognomie. Dieses Schau¬
spiel seht selbst die Einbildungskraft derjenigen in Bewegung, welche,
ohne Unterricht in den höheren Wissenschaften, das Himmelsgewölbe
gern betrachten, wie man eine schöne Landschaft oder eine majestätische
Aussicht bewundert. Man hat nicht nötig, Botaniker zu sein, um die
heiße Zone bei dem bloßen Anblick der Vegetation zu erkennen; ohne
Kenntnis in der Astronomie erlangt zu haben, ohne mit den Himmels¬
karten von Flamstead und La Caille vertraut zu sein, fühlt man, daß
man nicht in Europa ist, wenn man das ungeheure Sternbild des
Schiffs oder die phosphoreszierenden Wolken Magellans am Horizont
aufsteigen sieht. Die Erde und der Himmel, alles nimmt in der Äqui-
uoktialgegend einen fremden Charakter an.
Die niederen Gegenden der Luft waren seit einigen Tagen mit
Dämpfen angefüllt. Wir sahen erst in der Nacht vom 4. zum 5. Juli
(1799) im 16. Grade der Breite das Kreuz des Südens zum ersten
Male deutlich; es war stark geneigt und erschien von Zeit zu Zeit
zwischen Wolken, deren Mittelpunkt, von dem Wetterleuchten gefurcht,
ein silberfarbenes Licht zurückwarf. Wenn es einem Reisenden erlaubt
ist, von seinen persönlichen Rührungen zu reden, so sehe ich hinzu, daß
ich in dieser Nacht einen der Träume meiner ersten Jugend in Er¬
füllung gehen sah.
Wenn man ansängt, den Blick ans geographische Karten zu heften
und die Beschreibungen der Reisenden zu lesen, so fühlt man eine ge¬
wisse Art von Vorliebe für gewisse Länder und Klimate, von welcher
man sich in einem höheren Alter nicht wohl Rechenschaft geben kann.
Diese Eindrücke haben einen merkbaren Einfluß auf unsere Entschlüsse,
und wir suchen uns wie instinktmäßig mit den Gegenständen in Be¬
ziehung zu sehen, welche seit langer Zeit einen geheimen Reiz für uns
hatten. In einer Epoche, wo ich den Himmel studierte, nicht um mich
der Astronomie zu widmen, sondern um die Sterne kennen zu lerneu,
wurde ich von einer Furcht in Bewegung gesetzt, welche denjenigen un¬
bekannt ist, die eine sitzende Lebensart lieben. Es schien mir schmerz¬
haft, der Hoffnung zu entsagen, die schönen Sternbilder zu sehen, welche
in der Nähe des Südpols liegen. Ungeduldig, die Gegenden des Äqua-