Object: Die Praxis der Elementarklasse

Unterrichtliche Behandlung des biblischen Geschichtsstoffes. 
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Schilderung zu Hilfe kommen, die Phantasie des Schülers ergreifen, daß sie 
ihm die Szene vollkommen vor die innere Anschauung stelle und sein Gefühl 
in Tätigkeit versetze. Es kann da eine gewisse epische Breite nicht schaden; 
sie wird im Gegenteil dazu beitragen, daß die Kürze des Bibelwortes die 
Wirkung auf das Gemüt noch erhöhet." 
Aus dem Gesagten geht hervor, wie schwer es ist, kleinen Kindern die 
biblischen Geschichten so zu erzählen, daß durch die Erzählung das Verständnis 
vorbereitet, das Herz befriedigt, der Wille geläutert und ¿um Guten gekräftigt 
und die Phantasie entsprechend beschäftigt wird, und daß es für jeden Lehrer 
unabweislich notwendig ist, daß er sich regelmäßig auf jede Erzählung recht 
gründlich vorbereite. 
In erster Linie hat der Lehrer bei seiner Vorbereitung sein besonderes 
Augenmerk auf die entsprechende Form der Darbietung des biblischen 
Geschichtsstoffes zu richten und folgende Fragen reiflich in Erwägung zu 
ziehen: Welche Vorstellungen setzt die Geschichte bei den Kleinen 
voraus? Welche von diesen Vorstellungen sind bei meinen kleinen 
Schülern vorhanden und welche nicht? Müssen diejenigen, welche 
noch außerhalb des Erfahrungshorizontes meiner Schüler liegen, 
rücksichtslos ausgeschieden werden? Oder kann ich sie dem kind¬ 
lichen Geiste vermitteln? Wenn ja, auf welche geeignetste Weise 
sind jene noch unbekannten Anschauungen und Vorstellungen an 
den bereits vorhandenen geistigen Besitz der Kinder an zuknüpfen? 
Kann das sofort bei der Vorerzählung geschehen? Oder fordern 
sie eine besondere Besprechung? — Sollen also unsere Kleinen die 
biblischen Geschichten richtig auffassen und verstehen, so muß der Lehrer alle 
diese Fragen reiflich erwogen haben und alsdann durch eine entsprechende 
vorbereitende Erzählung das Verständnis jener unbekannten Anschauungen 
und Vorstellungen zu vermitteln suchen, indem er nach dem pädagogischen 
Grundsätze: „Gehe vom Bekannten zum Unbekannten" — das Neue an¬ 
schließt an Vorstellungen, die das Kind durch eigene Erfahrung und durch 
seine Umgebung gewonnen hat. Nur nicht an der Geschichte herumzerren 
und herumpflücken. Stimmung und Verständnis ist behutsam vorzubereiten; 
der Geschichte muß im Herzen der Kinder ein Boden bereitet werden und 
dann die ganze lebendige Pflanze mit allen feinen Wurzeln aufgehoben und 
den Kindern direkt ins Herz gepflanzt werden. Niemals darf der Lehrer, 
um kindlich zu erzählen, ein unschönes oder gar falsches Deutsch reden und 
die Geschichte durch unnötige Zutaten verwässern, z. B. „Jakob war der 
Mutter ihr Goldsöhnchen, und Esau war dem Vater sein Goldsöhnchen." 
— Die persönlichen Fürwörter sind nur selten zu benutzen; die Wiederholung 
der Namen macht den Satzbau klar und durchsichtig. 
Um die Kinder in die geeignete Gemütsverfassung zu setzen, um ihre 
Teilnahme zu spannen, um aus Zeit, Lokalität, Umgebung und Umständen 
die Situation verständlicher zu machen, wird der Lehrer bei mancher Er¬ 
zählung eine kurze Einleitung vorausschicken. Die Erzählung beginnt mit 
einigen kurzen, einfachen Sätzen, langsam und deutlich, ausdrucks¬ 
voll und gemütinnig gesprochen. Dieser kleine Anfang ivird wieder¬
	        
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