284 III. Nachklänge der romantischen und der klassischen Dichtung.
nur daß am untern Fenster
ein Mädchen sitzt,
den Kopf auf den Arm gestützt,
wie ein armes, vergessenes Kind —
und ich kenne dich armes, vergessenes Ätnb!
So tief, meertief also
verstecktest du dich vor mir
aus kindischer Laune,
und konntest nicht mehr herauf,
und saßest fremd unter fremden Leuten,
jahrhundertelang,
derweilen ich, die Seele voll Gram,
auf der ganzen Erde dich suchte
und immer dich suchte,
du Immergeliebte,
du Längstverlorne,
du Endlichgefundene —
Ich hab' dich gefunden und schaue wieder
dein süßes Gesicht,
die klugen, treuen Augen,
das liebe Lächeln —
Und nimmer will ich dich wieder verlassen,
und ich komme hinab zu dir,
und mit ausgebreiteten Armen
stürz' ich hinab an dein Herz —
Aber zur rechten Zeit noch
ergriff mich beim Fuß der Kapitän
und zog mich vom Schiffsrand
und rief, ärgerlich lachend:
„Doktor, sind Sie des Teufels?"
b) Ferdinand Freiligrath (^8^0—^876).
Ferdinand Freiligrath, geb. zu Detmold, war anfangs im kauf¬
männischen Beruf tätig, widmete sich nach mehrjährigem Aufenthalt in
Amsterdam von 1839 an ganz der Dichtkunst. Wegen Beteiligung an den
politischen Ereignissen mußte er 1848 das Vaterland verlassen und lebte
bis 1868 in London. Zurückgekehrt nach Deutschland, ließ er sich in Cannstatt
bei Stuttgart nieder. Balladen. Lieder.
*vie Tanne A5, 107. Bill, 149.
*Löwenritt A5, 119. Bill, 163.
*Die Auswanderer A6, 53. BIV, 68.
*ver Liebe Dauer A6, 121. B IV, 144.
*prinz Tugen, der edle Bitter A7, 30.
Die Trompete von Vionville A7, 35.
1. Am Baum der Menschheit.
Am Baum der Menschheit drängt sich Blüt' an Blüte,
nach ew'gen Regeln wiegen sie sich drauf;
wenn hier die eine matt und welk verglühte,
springt dort die andre voll und prächtig auf.