Full text: Handbuch der deutschen Literatur (Teil 8 der Ausgabe A, Teil 5 d. Ausgabe B, [Schülerband])

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Die erste Blütezeit der deutschen Dichtung. 
Der Knappe fuhr mit Fragen fort, 
daß jene lachten seinem Wort: 
„Ei, Ritter gut, was soll das sein? 
Du hast so viele Ringelein 
um deinen Leib gebunden dir 
da oben und auch unten hier?" 
Und er befühlt und nimmt in Schau 
des Fürsten Ringelpanzer genau 
und läßt die Hand am Eisen streifen: 
„DieJungfrau'n meiner Mutter pflegen 
auch Ring an Schnürchen anzulegen, 
die nicht so ineinander greifen." 
Und weiter schwatzt er frohgemut 
zum Fürsten: „Wozu ist das gut, 
was sich so wohl an dir mag schicken? 
Nichts kann ich dran herunterzwicken." 
Nun zeigte ihm der Fürst sein Schwert: 
„Sieh da, wer Kampf mit mir begehrt, 
den wehr' ich ab mit solchen Schlägen. 
Jedoch zum Schutz vor seinem Degen, 
gegen Schuß und Hieb und Stich 
muß ich also bewaffnen mich." 
Da rief der gute Knabe laut: 
„Weh, trügen Hirsche solche Haut, 
nicht macht' sie wund mein Javelot, 
das manchem doch schon gab den Tod." 
Die Ritter murrten, daß er so lange 
sich mit dem närrischen Kind besänge; 
drum sprach der Fürst: „Gott hüte 
dein! 
Ach, wär' doch deine Schönheit mein! 
Gott hätte dich überreich gemacht, 
wärst du auch mit Verstand bedacht; 
doch fern liegt dir die Eottesgabe." 
Fort ritt er mit den Herrn im Trabe 
mit Hast, und sie gelangten bald 
zu einem Ackerfeld im Wald, 
wo Herzeleidens Leute pflügten, 
die nie in größern Schreck geraten. 
Noch fern war's, daß sich Ähren wiegten; 
sie säten eben erst die Saaten 
und eggten dann; ihr Peitschenschlag 
half derb den starken Ochsen nach. 
Die Bauern riefen voll Verzagen, 
wie so davon die Helden jagen: 
„Weh, wehe, mußt' uns das geschehn? 
Hat dieser Ritter schart'ge Helme 
unser junger Herr gesehn, 
schiltmanuns samt und sonders Schelme. 
Die Kön'gin wird in Zornempören 
Vorwürfe gnug uns lassen hören, 
daß er heut früh, als sie noch schlief, 
daher zum Walde mit uns lief." 
Gleichviel auch war's dem Knaben jetzt, 
wer Hirsche, klein' und große, hetzt; 
denn flugs lief er zur Mutter hin 
und sagte alles der Königin, 
die so vor seinem Wort erschrak, 
daß sie bewußtlos vor ihm lag. 
Als sie Besinnung rückempfing, 
wie vorher sie in Schreck verging, 
befragte sie mit bangem Ton 
den Knaben: „Sage an, mein Sohn, 
wer sprach zu dir von Ritterorden? 
Wie bist du dessen inne worden?" 
„Vier Männer sah ich, Mütterlein, 
Gott selbst hat nicht so lichten Schein! 
Die sagten mir von Ritterschaft 
und Artus' königliche Kraft 
kann mich nach Rittersehren 
zum Schildesamt bekehren." 
Das war der Frau zu neuem Graus; 
sie wußte weder ein noch aus, 
um eine List sich zu erdenken, 
ihn von dem Vorsatz abzulenken. 
Der Knapp, in Einfalt, aber wert, 
bat gleich die Mutter um ein Pferd. 
Wie sehr es möcht' ihr Herz beklagen, 
sie dacht': „Ich will's ihm nicht ver¬ 
sagen ; 
aber grundschlecht soll es sein." 
Und ferner fiel der Kön'gin ein: 
„Es liebt die Menge Spott und Hohn; 
drum Narrenkleider soll mein Sohn 
an seinem lichten Körper tragen. 
Wird dann gerauft er und geschlagen, 
kehrt bald er wohl von selbst zurück." 
So schnitt in ihres Jammers Not 
ihm Hemd und Hos' aus einem Stück 
von Sacktuch zu die Frau; das bot 
Umhüllung kaum dem halben Beine, 
das nackt hervorschien. Im Vereine 
mit einer Kapp' um Haupt und Ohren 
ward ihm solch Narrenkleid erkoren 
und, um den Fuß nicht zu vergessen, 
von frischer rauher Kälberhaut 
ein Paar Schuhstrümpfe angemessen.— 
Wohl ward drob rings Wehklage laut.
	        
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