Wolfram von Eschenbach.
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Die Kön'gin bat ihn mit Bedachts
nur noch zu bleiben diese Nacht:
„Du sollst mir nicht von hinnen kehren,
ich will zuvor dich Klugheit lehren:
Du mußt auf ungebahnten Straßen
die dunkeln Furten liegen lassen;
doch siehst du seicht sie, hell und rein,
so reite nur getrost hinein.
Mußt auch dich schicklich stets betragen,
niemandem deinen Gruß versagen,
und wenn ein grauer, weiser Mann
dich Zucht will lehren, nimm dir's an;
nichtzürn ihm drob; folg ihm mit Fleiß,
weil er gewiß es besser weiß.
Und Sohn, laß dir empfohlen sein:
Wenn gutes Weibes Ring und Grüßen
du kannst erringen, geh drauf ein;
das wird dir manches Leid versüßen.
Nach ihrem Kuß magst du verlangen
und herzig ihren Leib umfangen;
denn das gibt Glück und hohen Mut,
ist anders züchtig sie und gut.
Und wisse ferner auch, mein Sohn:
Der stolze Lähelin entwand
zwei Lande deinen Fürsten schon,
die dienen sollten deiner Hand,
das ist Waleis und auch Norgals.
Deiner Fürsten einem, Turkentals,
gab er den Tod; mit Raub und Mord
sucht grausam heim dein Volk er dort."
„Das räch' ich, Mutter! — Will es
Gott,
so trifft ihn schwer mein Javelotl"
Als morgens kaum der Tag erschien,
stand einzig nur des Knaben Sinn
darauf, zu Artus fortzueilen.
Die Kön'gin küßt' ihn, lief ihm nach —
weh, wer vermag ihr Leid zu teilen,
als ihrem Aug' der Sohn gebrach!
Fort ritt er —ach, zu wessen Freude?
Zu Boden sank Frau Herzeleide,
und es brach ihr treues Herz
im Übermaß von Leid und Schmerz.
Hinaus ins wechselreiche Leben stürzt parzival, ein Bild des tiefen deutschen
Iünglingsgemütes voll täppischer Unschuld und Reinheit, ein Bild tragikomischen
Gegensatzes zwischen der Taten- und Wanderlust, die ihn von hinnen treibt, und dem
Heimatsgefühl, das ihn immer wieder zurückziehen möchte.
Und wie anders ist die rauhe Wirklichkeit als die erträumte Welt seiner leb¬
haften und arglosen Phantasie! Erst allmählich führt ihn diese unvermeidliche, bittere
Lebenserkenntnis zur Höhe empor. Leid und Irrwahn läutern und erziehen nach und
nach die edle, groß angelegte Iünglingsseele, die gleich der Schönheit des wohlgebildeten
Leibes selbst aus dem Narrengewande hervorschimmert.
Aber was er zunächst beginnt, das bringt Unheil anderen und auch ihm selbst. In
seiner Herzenseinfalt folgt der Jüngling gewissenhaft der Rkutter Weisungen, auch wo es
ihn als einfältig erscheinen läßt, Hatte jene, um ihn durch eine ernsthafte Liebe von
seiner Abenteuerlust zu heilen, ihn gewiesen, guten Weibes Gruß und Ruß und Ring
zu gewinnen, so raubt er gleich der ersten Schönen, der Herzogin Ieschute, die er in
einem prachtvollen Zelte, in holdestem Rlinnczauber schlafend, antrifft, Ruß und Ring
und Spange, so daß ihr Gatte, Herzog Grilus, hernach die Ärmste als untreu verstößt,
weiter stürmend trifft parzival mit Sigune, seiner Base, zusammen, der Grilus soeben
nicht ohne ihre eigene Schuld den geliebten Schionatulander in der Tjost erschlagen hat:
ein ergreifendes Bild, wie Sigune mit dem teuren Leichnam auf den Rnien an der
Landstraße sitzt und den Verlust des Geliebten beweint, von ihr erfährt der Jüngling
seinen Namen, den er bis dahin nicht gekannt hat, und seine königliche Abkunft.
Einem Fischer gibt er für ein Nachtlager die Ieschute abgenommene goldene Spange,
und dieser zeigt ihm den weg nach Nantes, so gelangt er an Artus' Hof; jeden grüßt
er, denn der Rkutter Rat ist sein Leitstern; aber bei jedem erregt sein Aufzug Staunen
und Verwunderung. Runeware, Drilus' Schwester, die nicht eher lachen wollte, als bis
sie den trefflichsten Ritter gesehen, lacht laut bei seinem Anblick auf, und Antanor, der
nicht reden wollte, als bis sie lache, bricht sein Schweigen. Der Zeremonienmeister