Full text: Deutsches Ringen (Band 7, [Schülerband])

drücken und fühlen, warum ich noch lebe, wenn mir mein ganzer 
Verlust einfällt. — Wenn wir an sein Leben denken, liebe Luise, 
wenn wir denken, wie hundertmal tätiger und wirkender er lebte und 
in der Nachwelt leben wird als eine ganze Generation von Menschen, 
so sollten wir nicht klagen über seine Tätigkeit des Geistes. — Er 
war nicht wie andere Menschen, die sich mühsam anstrengen, um 
etwas hervorzubringen; wenn er etwas hervorbrachte, so ward es ihm 
leicht, und er war am glücklichsten in diesem Moment. Ich suchte 
nur die ängstlichen Vorstellungen gern von ihm zu entfernen und 
alle Rücksichten, daß sein Geist nicht sollte gehemmt iverden. Ich 
fühlte aber immer, daß ich diesem Geiste keine Fesseln anlegen könne, 
und suchte lieber ihm das wirkliche Leben nicht drückend zu machen 
durch Störung seiner Wirksamkeit. Ich hätte jedes Schicksal mit ihm 
geteilt und hätte alle Aufopferungen ihm gebracht, das kann ich mir 
sagen. Andere, die seinem Geiste nicht so nahe lebten, hielten das, 
was der Erguß seines Wesens war, für künstliche, gefährliche An¬ 
spannung. Er hat lange nur noch durch seinen Geist gelebt; so zeigte 
es sich leider, wie alle sagen. — Welchen Anteil, welche Liebe er 
hatte, werden Dir die öffentlichen Nachrichten sagen; ich lese nicht 
darüber; denn ich allein habe mehr als die Welt verloren. — 
Aber als meiner lieben Schicester muß ich Dir etwas sagen, 
was Dich freuen wird, ivas uns noch als Beweis der Verdienste 
unseres Geliebten aufrichtet: daß die Großfürstin, die hiesige Erb¬ 
prinzeß, mir gleich in den ersten Tagen die Versicherung gab, daß 
Karl und Ernst ihr gehörten; sie sorgt für ihre Erziehung bis in 
ihr zwanzigstes Jahr und behält sich noch vor, sie auch anzustellen. 
Sie hat es auf eine so edle, feine Weise mir geschrieben, daß ich 
auch mit Feinheit diese Tat behandeln muß. Also sage ich es nicht, 
und Du und Dein lieber Mann werdet als meine Freunde auch 
keinen unvorsichtigen Gebrauch davon machen, Ihr werdet es fühlen. 
Sie hat mir gleich geschrieben, ehe sie noch dieses für die Söhne ent¬ 
schied, daß ich mich bei allem, was mir begegnen könnte, an sie 
zuerst wenden solle, weil sie Schiller geschätzt hätte und herzlichen 
Anteil an mir nehme. — Ach, hätte dieses unser Geliebter noch 
wissen können! — 
Jetzt nimmt er auf diese menschliche Weise nicht mehr teil an 
den Ereignissen; wenn ich aber nun manches möglich machen kann,
	        
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