unbewußt — man möchte sagen : oft zufällig — aus meist wirt¬
schaftlichen Notwendigkeiten emporwuchs.
Der Farmer, der in den Wäldern Pennsylvaniens mit der Axt
den Platz für sein Heim sich rodete, oder der Kommis, der im Kontor
von Bombay seine Abschlüsse machte, wußte sicherlich nicht,
daß seine Arbeit am letzten Ende mit dazu beitragen sollte, ein
englisches Weltreich aufzurichten; und in der Regel hatte keiner
von beiden auch nur Kenntnis davon, daß an der anderen Seite
der Erde überhaupt eine Tätigkeit wie die des andern stattfand.
Es war wie das Emporwachsen einer Korallenbank: die Koralle,
die ihren kleinen Lebensbedürfnissen nachgeht, ahnt nicht, daß
sie dadurch an den Grundlagen neuer Länder und Erdteile bauen
hilft. So bildet der Gott der Geschichte seine großartigsten
Schöpfungen aus individuellen, scheinbar ganz auf egoistische und
meistens kleinliche Ziele gerichteten Willensbestrebungen. Diesen
Stempel des Urwüchsigen, unbewußt Emporgewachsenen trägt die
Geschichte der englischen Kolonialpolitik in hohem Maße. „Wir
scheinen in einem Anfall von Geistesabwesenheit die halbe Welt
erobert und bevölkert zu haben,“ sagt Seeley in seinem Buch
„Expansion of England“. Auf der anderen Seite freilich war Aus¬
dehnung des Kolonialbesitzes und Erwerb neuer Länder doch fort¬
dauernd seit den Tagen Elisabeths eines der Ziele englischer Politik.
Wenn der Staat auch weit davon entfernt war, bewußt eine Welt¬
machtpolitik im theoretischen Sinne zu treiben, so galt doch die
Angliederung neuer Gebiete jenseits der Meere stets als ein wesent¬
liches Mittel für die Ausdehnung des Handels und die Steigerung
der nationalen Macht. Ohne diese Anschauung in den leitenden
Köpfen hätte der einzelne nicht die Grundlage für seine kolonisa¬
torische Arbeit finden können — gleichviel, ob er abenteuernd
auszog, um die Flagge seines Volkes in unbesetzten Ländern auf¬
zupflanzen, oder ob er auswanderte, um in einer der bereits be¬
gründeten Kolonien sein Glück zu versuchen. In beiden Fällen
war er auf den Rückhalt angewiesen, den er in der Macht seines
Vaterlandes daheim fand.
1584 erhielt Sir Walter Raleigh sein Patent von der Königin
Elisabeth, welches die Gründung Virginias in Nordamerika zur
Folge hatte, und 1600 wurde die Charter der anglo-ostindischen
Kompagnie erteilt, aus welcher die Eroberung Ostindiens für Eng¬
land sich ergeben hat. Diese beiden Daten sind der Ausgangs¬
punkt dieser merkwürdigen geschichtlichen Entwicklung, deren Er¬