Full text: Deutsches Ringen (Band 7, [Schülerband])

ñls Phantasiebild noch stand eine Zeitlang der Rundturm vor uns 
auf dem Wasser, bis plötzlich die unstete Phantasie weiter in ihre 
Erinnerungen zurückgriff und ältere Bilder vor das Bild dieses Sees 
und dieser Stunde schob. Leisen Tones klang es herüber. Es waren 
Bilder aus der Heimat, ein unvergessener Tag. 
Auch eine Wasserfläche war es; aber nicht Weidengestrüpp faßte 
das Ufer ein, sondern ein Park und ein Laubholzwald nahmen den 
See in ihren Arm. Im Flachboot stießen wir ab, und so oft wir 
das Schilf am Ufer streiften, klang es, wie wenn eine Hand über 
knisternde Seide fährt.v Zwei Schwestern saßen mir gegenüber. Die 
ältere streckte ihre Hand in das kühle, klare Wasser des Sees, und 
außer dem dumpfen Schlag des Ruders vernahm ich nichts als jenes 
leise Geräusch, womit die Wellchen zwischen den Fingern der weißen 
Hand hindurchplätscherten. Nun glitt das Boot durch Teichrosen hin, 
deren lange Stengel wir — so klar war das Wasser — aus dem 
Grunde des Sees aufsteigen sahen; dann lenkten wir das Boot bis 
an den Schilfgürtel und unter die weitüberhängenden Zweige des 
Parkes zurück. Endlich legten wir an, wo die Wassertreppe ans Ufer 
führt, und ein Schloß stieg auf mit Flügeln und Türmen, mit Hof 
und Treppe und mit einem Säulengange, der Balustraden und 
Marmorbilder trug. Dieser Hof und dieser Säulengang — die Zeugen 
wie vieler Lust, wie vielen Glanzes waren sie gewesen! Hier über 
diesen Hof hin hatte die Geige Grauns geklungen, wenn sie das 
Flötenspiel des prinzlichen Freundes begleitete; hier waren Le Gaillard 
und Le Constant, die ersten Ritter des Bayard-Ordens, auf- und 
abgeschritten; hier waren im bunten Spiel, in heitrer Ironie fingierte 
Ambassaden aus aller Herren Ländern erschienen, und von hier aus 
endlich waren die heiter Spielenden hinausgezogen und hatten sich 
bewährt im Ernst des Kampfes und auf den Höhen des Lebens. 
Hinter dem Säulengange glitzerten die gelben Schloßwände in aller 
Helle des Tages; kein romantischer Farbenton mischte sich ein, aber 
Schloß und Turm, wohin das Auge fiel, alles trug den breiten histo¬ 
rischen Stempel, — die Fundamente der Romantik lagen da. Von 
der anderen Seite des Sees her grüßte der Obelisk, der die Geschichte 
des Siebenjährigen Krieges im Lapidarstil trägt. 
So war das Bild des Rheinsberger Schlosses, das wie eine 
Fata Morgana über den Levensee hinzog, und ehe noch unser Boot
	        
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