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5. Ich hab', ich habe Herzen,
so treue, wie gebührt,
die Heuchelei und Schmerzen
nie wissentlich berührt!
Ich bin auch ihnen wieder
von Grund der Seelen hold;
ich lieb' euch mehr, ihr Brüder,
als aller Erden Gold.
3. Heben um Heben.
1. Zwischen Himmel und Erde.
Von Otto Ludwig.
Zwischen Himmel und Erde ist des Schieferdeckers Reich.
Tief unten das lärmende Gewühl der Wandrer der Erde, hoch oben
die Wandrer des Himmels, die stillen Wolken in ihrem großen
Gang. Monden-, jähre-, jahrzehntelang hat es keine Bewohner
als der krächzenden Dohlen unruhig flatternd Volk. Aber eines
Tages öffnet sich in der Mitte der Turmdachhöhe die enge Ausfahr¬
tür; unsichtbare Hände schieben zwei Rüststangen heraus. Den
Zuschauer von unten gemahnt es, sie wollen eine Brücke von
Strohhalmen in den Himmel bauen. Die Dohlen haben sich auf
Turmknopf und Wetterfahne geflüchtet und sehen herab und
sträuben ihr Gefieder vor Angst. Die Rüststangen stehen wenige
Fuß heraus, und die unsichtbaren Hände lassen vom Schieben ab.
Dafür beginnt ein Hämmern im Herzen des Dachstuhls. Die
schlafenden Eulen schrecken auf und taumeln aus ihren Luken
zackig in das offene Auge des Tages hinein. Die Dohlen hören es
mit Entsetzen; das Menschenkind unten auf der festen Erde ver¬
nimmt es nicht, die Wolken oben am Himmel ziehen gleichmütig
darüber hin. Lange währt das Pochen, dann verstummt es. Und
den Rüststangen nach und quer auf ihnen liegend, schieben sich
zwei, drei kurze Bretter. Hinter ihnen erscheint ein Menschen¬
haupt und ein paar rüstige Arme. Eine Hand hält den Nagel, die