Full text: Unterstufe (Dritter Teil = Vierte Klasse)

W. Hahn, Wilhelm I. und Napoleon III. 
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Der König: „So werden Eure Majestät mich wissen lassen, mit 
welcher Behörde in Frankreich ich unterhandeln kann." 
Der Kaiser: „Die Kaiserin und die Minister in Paris haben allein 
die Macht dazu. Wie das Schicksal sich gewendet hat, bin ich vor Eurer 
Majestät machtlos, unfähig, Befehle zu geben oder Bedingungen zu 
machen." 
Der König: „Soviel an mir liegt, bin ich bereit, das Schmerz¬ 
liche Ihrer Lage zu erleichtern, und ich frage, ob es Eurer Majestät 
gefällt, wenn ich das Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel Ihnen als Wohnsitz 
anweise." 
Der Kaiser: „Ich betrachte diesen Befehl als einen besonderen 
Ausdruck des Wohlwollens, das Eure Majestät mir zuwendet." 
Der König: „Vielleicht haben Eure Majestät noch irgend einen 
Wunsch, dessen Erfüllung in meiner Macht steht?" 
Der Kaiser: „Da Eure Majestät mich selbst dazu auffordern, so 
lege ich Ihnen die Bitte vor, daß mir, soweit ich französisches Gebiet 
zu passieren habe, starke militärische Bedeckung gewährt werde." 
Der König willigte ein. 
Der Kaiser: „Auch, wenn Eure Majestät es gestatten, daß die Reise 
durch Frankreich soviel wie möglich abgekürzt werde." 
Der König: „Auch hiermit bin ich gern einverstanden. Ich werde 
meinen Gesandten in Brüssel noch heute beauftragen lassen, daß er die 
Genehmigung zur Durchreise durch Belgien für Eure Majestät beim 
König Leopold erwirke." 
> Der Kaiser: „Ich danke Eurer Majestät." 
Da der Kaiser von der Aufforderung des Königs, ihm einen Wunsch, 
den er etwa hegte, auszusprechen, keinen weiteren Gebrauch machte, so 
schloß der König die Unterredung, und nachdem er mit einem Händedruck 
Abschied genommen, schritt er zur Tür, während der Kaiser ihm folgte. 
Im Vorgemach befand sich noch der Kronprinz. 
Während der König auf dem Balkon der Freitreppe vorausging, 
wandte sich der Kaiser mit absichtlichem Eifer an den Kronprinzen 
und sprach ihm mit bewegten Worten seine Rührung über des Königs 
einnehmende Güte und Milde aus. „Ich kann nicht genug Dankes 
sagen für die Entäußerung aller Macht und Strenge, für die Teil¬ 
nahme, die Seine Majestät meinem Schicksale unverdient zuwendet." 
Der König wartete auf der untersten Stufe der Treppe auf beide. 
Als hier nochmals Abschied genommen wurde, standen Tränen in 
den Augen des Kaisers, die er schnell durch das Taschentuch zu ver¬ 
bergen suchte. 
König und Kronprinz aber stiegen wieder zu Pferde und ritten des 
Weges zurück.
	        
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