A. Sach, Zwei deutsche Wahrzeichen.
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II.
Wie auf dem Teutberge das Hermannsdenkmal, so ruft auf dem
Niederwalde das Nationaldenkmal dem deutschen Volke zu, niemals zu
vergessen, daß Einigkeit seine Stärke ist.
Es ist geweihter Boden, auf dem das Nationaldenkmal errichtet
ist. Die Geschichte des Rheines und mit ihm die Geschichte unseres
Volkes tritt hier vor unsere Erinnerung. Ingelheim gemahnt an die
hehre Gestalt Karls des Großen, der dort sich eine prächtige Pfalz
schuf und der Sage nach den Rüdesheimer Berg zuerst mit Reben be¬
pflanzte. Von ferne her erglänzen die Türme von Mainz, wo die
Hohenstaufen in Ernst und Spiel gewaltet, von wo die Kurfürsten
rheinabwärts zogen zum Königsstuhl bei Reuse, um einen neuen Kaiser
zu wählen. Drüben am User der Nahe liegt die Ebernburg, auf der
einst Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen weilten, und drunten
ragt ans den Strudeln des Binger Loches der Mäusetnrm empor.
Aber neben diesen geschichtlichen Erinnerungen ist der Niederwald auch
wegen der reichen Schönheit seiner Umgebung mehr als jede andere
Höhe der Aufstellung eines nationalen Denkmals wert. Jedes Auge
entzücken die schön gelegenen Orte Geisenheim, Rüdesheim, Hattenheim,
Ingelheim, Scharlachberg, und gern blickt es hin nach dem weingeseg¬
neten Johannisberg, nach Markobrunn und nach der Rochuskapelle.
Steigt man von Rüdesheim den Fußsteig nach dem Niederwalde
hinauf, so entschwindet das Denkmal dem Blicke, sobald mai sich dem
Gehölz nähert, das sich auf der Höhe hinzieht. Erst wenn man aus
dem Eichwalde heraustritt, empfängt man den vollen Eindruck de Kunst¬
werkes mit einem Schlage, empfindet man jenes unbeschreibliche Gefühl,
das bei dem Anblick des Erhabenen den Menschen mit heiligem Schauer
durchzieht.
Den Platzverhältnissen glücklich angepaßt, scheint das Denkmal
aus dem Felsrücken des Berges herauszuwachsen. Zu dem mächtigen,
25 Meter hohen Unterbau verwendete man Steine aus verschiedenen
Gauen Deutschlands. Eine mächtige Balustrade umfaßt in weitem Bogen
den großen Festplatz, zu dem von beiden Seiten langsam abfallende
breite Rampen führen. Von diesem Platze führt eine breite Freitreppe
nach einer Plattform, von der sich wieder neue Freitreppen erheben.
In der Mitte des unteren Sockels fesseln das Auge die 3 Meter
hohen Figuren des Rheins und der Mosel. Der alte Vater Rhein,
eine kräftige Mannesgestalt mit einem Ruder, überreicht das mit Wein¬
laub umkränzte Rufhorn der Mosel. Diese, durch eine anmutige
Jungfrau dargestellt, übernimmt freudig das Zeichen zur Wacht an der
Mosel, die nun ja Deutschlands Grenze ist. Zur Rechten und Linken
haben auf Ecksockeln die je 6 Meter hohen allegorischen Figuren „Krieg"