Full text: Unterstufe (Dritter Teil = Vierte Klasse)

O. Senese, Kapitän Empfängers Ende. 
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Wetter war ihm anvertraut. In den zehn Jahren, die er seiner Vater¬ 
stadt in dieser verantwortungsvollen Stellung gedient, hat Verend 
Jakobsen Carpsanger zehn Reisen vollendet, auf dieser elften fand der 
wackere Mann seinen Tod. 
Es war am 10. Oktober 1683 abends gegen acht Uhr. Carpsanger 
saß mit seinem Sohne, seinem Neffen, den Schiffsoffizieren und mit einigen 
Freunden aus der Stadt, die er zum Abschied bewirtete, wohlgemut in 
der Kajüte bei der Tafel. Eben wollen die Gäste aufbrechen, als draußen 
ein lärmend Getümmel entsteht und der Kajütenjunge atemlos die Nach¬ 
richt hineinrnft, es sei Feuer in der Helle (einem der unteren Räume 
im Vorderteile des Schiffs), des Hochbootsmanns Junge habe es eben 
entdeckt. Der Kapitän und seine Gäste springen auf und eilen dahin, 
wo sie das hier bewahrte Tauwerk in hellen Flammen finden. Dem 
Herde des Brandes in einem tiefen Raum mit schmalen Zugängen 
war schlecht beizukommen, ans Befehl des Kapitäns wurde aber sogleich 
mit Eimern und Spritzen so viel Wasser wie möglich auf die Glut 
gegossen. Dennoch mehrte sich zusehends das Feuer, dem die vielen 
geteerten Taue eine ebenso entzündliche wie nachhaltige Nahrung boten, 
indem sie zugleich die Verbreitung fortpflanzten. Noch loderte die Glut 
nur in den innersten Eingeweiden des riesigen Schiffes, dessen Helle zur 
Hölle geworden war; aber nach außen hin verkündete noch kein Feuer¬ 
schein die Gefahr; dicker Rauch wälzte sich über das unglückliche Schiff, 
in der Dunkelheit der anbrechenden Nacht kaum erkennbar, aber der 
löschenden Mannschaft sehr hinderlich. Obschon die Schiffsbesatzung 
fleißig arbeitete und die gut befehligten Soldaten ihr möglichstes 
taten, so mußte man sich doch bald nach Hilfe umsehen. Es wurden 
einige Kanonen als Notsignale gelöst; von den in der Nähe ankernden 
Schiffen, die des Schießens Bedeutung nicht verstanden, kam indes 
kein Beistand; Carpsanger entsandte seinen Leutnant zur Aufrufung 
nachbarlicher Hilfe. Es kamen nun endlich Boote genug, aber sie 
wagten sich nicht an Bord; denn sie fürchteten bei der wachsenden 
Glut das Losgehen der geladenen Kanonen, besorgten auch, - die Pulver¬ 
kammer möchte ergriffen werden und das Schiff mit allen benachbarten 
Fahrzeugen in die Luft sprengen. 
In der Tat war jetzt das Feuer dem Pulver nahe; dieses durch 
die bereits brennenden Räume in Sicherheit zu bringen, war un¬ 
möglich. Der überall tätige Kapitän ließ nun auch diese Zugänge 
begießen, um wo möglich die Gefahr zu ersäufen. Während er hier 
die unerschrockenen Soldaten aufstellte, sprang leider die Mehrzahl der 
Matrosen in die große Schaluppe. Aus dem Kajütenfenster rief Carpsanger 
ihnen den Befehl augenblicklicher Rückkehr zu; er erinnerte sie an ihren 
Eid, den sie ihm, der Obrigkeit und Gott geleistet; er beschwor sie mit 
Meuer u. Nagel. Deutsches Lesebuch. Ausg. 8. Teil III. 3
	        
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