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Ursprung des Namens liegt im Dunkel. -Hans' oder ,Hansa' bezeichnet
schon im Gotischen und Althochdeutschen eine Genossenschaft, eine Kauf¬
mannsgilde, und als solche tritt die deutsche Hansa ins Leben, als ein
Bund des ,gemeinen Kaufmanns', wie die Zeit ihn nennt, d. h. der ver¬
einigten Allgemeinheit der Kaufleute.
Es ist eine seltsame, nur aus den wirr schwankenden Zuständen jener
Jahrhunderte erklärbare Genossenschaft, mit wenig Ausnahmen keine Ver¬
bündung freiselbständiger Städte. Die große Mehrzahl ist Landesherren
untertan, jede einzelne, dieser Angehörigkeit gemäß, dem ihrigen verpflichtet
und seinem Geheiß unterworfen. Und doch stehen in der Gesamtheit
der -Hanse' alle unabhängig da, selbst ihr Wollen und Tun bestimmend;
es entspringt der Kraft des Zusammenschlusses, den die Herrschsucht und
Habgier der unter sich zerspaltenen Fürsten nicht anzutasten wagt. Sie
haben es bei dem Versuch einer Gewalttat nicht mit -ihrer' Stadt zu tun,
sondern mit dem Bündnis des -gemeinen Kaufmanns' im ganzen deutschen
Norden, mit den wehrhaften Bürgern, der Geldmacht und Mauerfestig¬
keit, den mit Feuergeschützen ausgerüsteten Kriegskoggen aller zu Schutz
und Trutz vereinigten Städte.
Es ist ein hochtönendes, viel Schrecken wachrufendes, viel heimlichen
Ingrimm zum Lodern schürendes Wort: ,De dudesche Hanse'. Mit nieder¬
deutschem Namen nennen sie sich, denn plattdeutsch ist ihre Sprache.
Gewaltiges umschließt das Wort an klugem Ratschlag, Kraft und
zielbewußter Tat, an Ausdauer und Vergangenheit; doch der Unbeständig¬
keit aller irdischen Dinge unterworfen, bleibt die Hansa auch während
ihres höchsten Glanzes von inneren Zwistigkeiten, Zerwürfnissen, Neid,
Wankelmut und Abfall nicht frei. Oft durchtobt auch die Straßen der
Städte lauter Aufruhr: Parteien, Geschlechter und Zünfte bekämpfen sich
in ihnen auf Leben und Tod; hier und dort wird das bestehende Regiment
der Burgemeister und Ratsherren gestürzt uud ein neues aufgerichtet.
Das Blut der Unterliegenden färbt den Richtplatz, oder, noch rechtzeitig
entkommen, rufen sie sich Beihelfer von auswärts, um ihre Herrschaft zu¬
rückzugewinnen. Bestechung, Verrat und Verschwörung drängen sich ein,
lähmen nicht selten von den erkrankten Gliedern aus die Kraft des Gesamt¬
körpers zu schwerer Schädigung für ihn auch nach außen. Und dem
bewußten Unrecht, mit dem die fürstlichen Machthaber überall die Zwecke
ihrer Eigensucht verfolgen, ihrer Härte, Wildheit und grausamen Unmensch¬
lichkeit setzen die trotzigen Bürger der Hansestädte mannigfach ebenso
bewußt das gleiche entgegen. Denn die weichmütige Schwäche büßt Recht
und Besitz ein, einzig die eiserne Faust verbürgt Sicherung und Gewinn.
Aber trotz solcher Wechselfälle steht im Beginn des fünfzehnten
Jahrhunderts die deutsche Hansa als beherrschende Macht auf der Ost-
und Nordsee von der russischen Küste bis zur englischen da, hat ihr Haupt¬
ziel, sich die drei skandinavischen Reiche, Dänemark, Norwegen und Schweden,