Pöppig: Ende der Seefahrt.
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um das Schiff aus einer dringenden Gefahr zu retten, wo das Hin-
und Hersegeln zwischen Eismassen, denen man öfters ausweichen mußte,
nebst vielem stürmischen Wetter vollends alle Kräfte erschöpfte, wo
endlich der Nebel die Sonne fast immer vor unsern Augen verbarg
und wie ein drückendes Gewicht auf unserem Geiste lag — wenn da
der Trübsinn des Engländers endlich überhand genommen hätte, für-
wahr, man hätte unrecht gehabt sich darüber zu wundern. Doch dazu
kam es nie. Ich habe unsere Leute schweigen sehen, wenn Monate
lang das Verdeck, ihr Spielplatz und Erholungsort, ein unangenehmer
Aufenthalt für sie war; aber unverdrossen und thätig blieben sie immer,
denn ihre Vorgesetzten erduldeten bei Tag und bei Nacht mit ihnen
die vielfältigen Beschwerden ihres harten Dienstes. Der Offizier blieb,
durchnäßt und starrend vor Kälte, auf dem Verdeck und verließ es nicht
eher als seine Wache, und Cook selbst genoß keine andere Speise als
der gemeine Seemann. Eine Last wird leicht und die Gefahr ver¬
schwindet, wenn man sie mit andern teilt. Noch wirksamer war aber
das feste Vertrauen des Volks auf die weise Führung seines Befehls-
habers und die Ehrfurcht, die man allgemein an Bord vor seinen
Talenten und seinem Charakter hegte. Teils jene freiwillige Enthalt¬
samkeit von allem ausschließenden Genuß, teils unzählige Beispiele von
seiner unermüdeten, väterlichen Sorge für das Wohl seiner Unter¬
gebenen stärkten ihr Vertrauen auf ihn bis zum Enthusiasmus. Ein
Fest, welches er ihnen zur rechten Zeit erlaubte, ein stärkender Trank,
den er austeilen ließ, wenn die Witterung zu schneidend war oder
wenn harte Arbeit die Leute ermattet hatte, ein Zug von Menschlich¬
keit, wenn er seine Zimmer aufopferte, um den Segelmacher dort be¬
quemer arbeiten zu lassen, und viele kleine Nebensachen dieser Art
gewannen ihm das Herz der rauhen harten Leute, die selten so behan¬
delt worden waren. Man darf daher mit Recht behaupten, daß seine
Disciplin musterhaft war, und dies vielleicht um so viel mehr, da die¬
jenigen Offiziere, die aus andern Kriegsschiffen unter Cooks Kommando
versetzt wurden, sie gemeiniglich nicht strenge genug fanden. Wie
rühmlich ist nicht dieser Tadel für Cook! Allein er konnte am besten
für den Matrosen fühlen, der selbst aus den untersten Stufen des
Seedienstes das eiserne Scepter tyrannischer Befehlshaber kennen und
verabscheuen gelernt hatte.
93. Ende der Seefahrt.
Von Eduard Friedrich Pöppig. Reise in Chile, Peru und auf dem Amazonenstrom.
Leipzig, 1836.
Wir näherten uns dem Ziele unserer weiten Fahrt. Man muß
selbst lange Reisen nach weit entlegenen und wenig gekannten Ländern
gemacht haben, um sich einen Begriff von der Spannung machen zu
können, in welcher der Reisende in den letzten Tagen vor dem Er¬
reichen seines Zieles sich befindet. Sehnsucht nach der freundlichen
Mutter Erde, welche zuletzt wohl auch der alte Seemann empfindet,
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