Full text: [Erster Teil, Dritte Abteilung = (Für Quarta), [Schülerband]] (Erster Teil, Dritte Abteilung = (Für Quarta), [Schülerband])

B. 
Lyrische Poesie. 
Dem Dichter ward das Wort gegeben, 
Das kühn das Dunkelste benennt, 
Der fromme Ernst im reichen Leben, 
Die Freudigkeit, die keiner kennt. 
Da soll er singen frei aus Erden, 
In Lust und Not auf Gott vertraun. 
Daß aller Herzen freier werden, 
Eratmend in die Klänge schaun. 
Der Ehre fei er recht zum Horte, 
Der Schande leucht' er ins Gesicht! 
Viel Wunderkraft ist in dem Worte, 
Das hell aus reinem Herzen bricht. 
Joseph Freiherr von Eichendorfs. 
IV. Weltliche Lieder. 
160. Die Tanne. 
Von Ferdinand Freiligrath. Gedichte. Stuttgart, 1855. 
I. 
1. Auf des Berges höchster Spitze 
Steht die Tanne, schlank und grün; 
Durch der Felswand tiefste Ritze 
Läßt sie ihre Wurzeln ziehn; 
2. Nach den höchsten Wolkenbällen 
Läßt sie ihre Wipfel schweifen, 
Als ob sie die vogelschnellen 
Mit den Armen wollte greifen. 
5. Die des Berges Grund befahren 
Ohne Eimer, ohne Leitern 
Und in seinen wunderbaren 
Schachten die Metalle läutern. 
6. Wirr läßt sie hinunterhangen 
Ihre Wurzeln ins Gewölbe; 
Diamanten sieht sie prangen 
Und des Goldes Glut, die gelbe. 
3. Ja, der Wolken vielgestalt'ge 
Streifen, flatternd und zerrissen, 
Sind der Edeltann' gewaltige, 
Regenfchwangre Nadelkissen. 
7. Aber oben mit den dunkeln 
Ästen sieht sie schönres Leben, 
Sieht durch Laub die Sonne funkeln 
Und belauscht des Geistes Weben, 
4. Tief in ihren Wurzelknollen, 
In den faserigen, braunen, 
Winzig klein und reich an tollen 
Launen, wohnen die Alraunen, 
8. Der in diesen stillen Bergen 
Regiment und Ordnung hält 
Und mit seinen klugen Zwergen 
Alles leitet und bestellt,
	        
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