Emanuel Geibel, Der Zigeunerbube im Norden.
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9. Nun schweigt es still, das alte Haus;
mir aber ist's, als schritten
die alten Väter all heraus,
um für ihr Haus zu bitten,
und auch in meiner eignen Brust,
wie ruft so manche Kinderlust:
Latz stehn das Haus, latz stehen!
10. Indessen ist der Mauermann
schon ins Gebälk gestiegen,
er fängt mit Macht zu brechen an,
und Stein' und Ziegel fliegen.
Still, lieber Meister, geh von hier,
gern zahle ich den Taglohn dir;
allein das Haus bleibt stehen.
Friedrich Hebbel.
95. Der Zigeunerbube im Norden.
1. Fern im Süd' das schöne Spanien,
Spanien ist mein Heimatland,
wo die schattigen Kastanien
rauschen an des Ebro Strand;
wo die Mandeln rötlich blühen,
wo die heitze Traube winkt,
und die Nosen schöner glühen
und das Mondlicht goldner blinkt.
2. Und nun wandr' ich mit der Laute
traurig hier von Haus zu Haus,
doch kein helles Auge schaute
freundlich noch nach mir heraus;
spärlich reicht man mir die Gaben,
mürrisch heitzet man mich gehn,
ach, den armen braunen Knaben
will kein einziger verstehn.
3. Dieser Nebel drückt mich nieder,
der die Sonne mir entfernt,
und die alten, lust'gen Lieder
hab' ich alle fast verlernt.
Immer in die Melodien
schleicht der eine Klang sich ein:
In die Heimat möcht' ich ziehen,
in das Land voll Sonnenschein.