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fang er, Würger leben in Wäldern, zumal im Urwalde, die Lerchen und
Lrachpieper auf Feldern, die Wiesenpieper an sumpfigen Stellen; die
gelbe Bachstelze nimmt an Gebirgsbächen, die weiße auf Feldern
Wohnung,- die Schafstelzen überwintern an Sümpfen und in Steppen,
Rotkehlchen und Rotschwänzchen, Ringamseln und Drosseln in Gebirgen,
die Stare aus Feldern im flachen Sande, die Steinschmätzer in den
wüsten und Einöden, die Sänger in Büschen und Wäldern, die Tauben
in Wäldern- Kraniche und Störche beziehen Flüsse, in deren Nähe sie
Steppen finden, Sumpf- und Wasservögel Sümpfe und Seen.
Ägypten ist jedenfalls für den von Norden einwandernden Zug¬
vogel eine der wichtigsten Herbergen, die es gibt. Lr findet einen
Platz, wie er ihn nur immer wünschen mag: schroffe, steile und öde Ge¬
birge, welche sich an blühenden, bebauten und bewaldeten Ebenen dahin¬
ziehen, lachende, von sandigen, brennenden wüsten begrenzte Fluren, den
mächtigen Nil mit seinen unzähligen Kanälen und die Küste des Mittel-
meeres mit ihren Seen und Sümpfen, die vom Meere aus überflutet
und vom Nil aus mit süßem Wasser versehen werden. Diese letzteren
sind von bedeutender Ausdehnung, durch schmale Straßen mit dem Meere
verbunden, sehr reich an Fischen und anderen Wassertieren und deshalb
ein Sieblingsaufenthalt unzähliger Vögel, die in ihnen Nahrung finden.
Nach dem Sande zu endigen sie in schlammige, untiefe Buchten, in welche
sich Ausläufer der vom Nil kommenden Bewässerungsgräben ergießen,
oder verbinden sich unmittelbar mit sumpfigen Reisfeldern und wirk¬
lichen rohr- und schilfreichen Brüchen. Die herrlichsten Palmenwal¬
dungen schließen sie ein und vollenden den paradiesischen Ruheort der
geflügelten Wanderscharen. Denn wenn sie auch im Sommer von sehr
vielen Vögeln belebt sind, steht deren Zahl doch in gar keinem Ver¬
hältnis zu jener der im Winter hier wohnenden Zuggäste. Ihre Menge
zu schätzen, halte ich für unmöglich - es scheint, als ob sich alle Vögel
der Erde hier ein Stelldichein gegeben hätten. Der Naturforscher oder
Jäger, der hier einige Monate verleben kann, erstaunt und ist nicht
imstande zu begreifen, daß hier Hunderttausende und aber Hunderttausende
von vögeln leben können, welche der geringsten Annahme nach an Fischen
allein täglich mehr als 60 000 Pfund zu ihrer Nahrung bedürfen müssen.
Dieses Zusammenleben der verschiedenen Vögel dauert beinahe die
ganze Winterzeit hindurch, bis die stärker werdende Frühlingssonne
einzelne vertreibt, andere aus dem Süden herbeizieht. Ende Februar
schon sammeln sich die Scharen zu Reisegesellschaften - man sieht abends
ungeheure Züge von ihnen nach den Schlafplätzen fliegen, aber sie
werden mit jedem Tage schwächer. Der Pelikan ist zum Zuge gerüstet,
der Flamingo verteilt sich täglich mehr. Allnächtlich hört man das
pfeifende Geräusch des Fluges der heimkehrenden Enten. In eben dem
Maße, als die Sümpfe austrocknen, verschwinden ihre Bewohner. Gegen
die Mitte des März kommen die Wanderer von Süden an — in dem
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