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zu den Sängern, das auszuführen, um deswillen er gekommen war.
Bevor er aber über ihren Streit sein Urteil abgeben konnte, da trat gegen
ihn auf Wolfram von Eschenbach, der ihm gram war. Sie sangen mit
ihren Liedern gegeneinander, aber Wolfram tat so viel Sinn und Geschick
in seinen Liedern kund, daß ihn der Meister nicht überwinden konnte.
Nachdem sie eine Weile gegeneinander gesungen hatten, ging Klingsor aus
dem Rittersaale, beschwor einen Geist, ließ diesen die Gestalt eines Jüng—
lings annehmen, und indem er ihn zu Wolfram von Eschenbach brachte,
sagte er zu diesem in Gegenwart des Fürsten und dessen Mannen:
„Wolfram, ich bin etwas müde, mit dir zu reden; mein Knecht soll eine
Weile mit dir sprechen.“ Und nun fing der Teufel an zu reden von
dem Anbeginn der Welt und kam bis auf die Zeit, wo Christus geboren
ward. Da schwieg er. Wolfram aber sang weiter von der Gnade
Gottes, die er durch Jesum der Welt erwiesen, und als er sang von
der heiligen Wandlung des Brotes und Weines, da mußte der Teufel
von dannen weichen. Klingsor hatte alles mit angehört, wie Wolfram
mit gelehrten Worten das göttliche Geheimnis besungen hatte, und glaubte,
daß Wolfram wohl auch ein Gelehrter sein möge. Doch wollte Klingsor
genauer wissen, ob Herr Wolfram wirklich gelehrt oder nur ein Laie
wäre, und darum beschwor er noch einmal den Teufel, der sollte es ihm
erforschen.
Nun hatte Herr Wolfram seine Herberge bei einem Bürger in
Eisenach, Titzel Gottschalk mit Namen, dem Brotmarkte gegenüber, mitten
in der Stadt. Dahin kam der Teufel des Nachts in ein steinernes
Gemach, welches die düstere Kammer hieß, denn sie hatte kein Fenster,
war aber zur Zeit Herrn Wolframs Schlafkammer. Und der Teufel
begann zu sprechen von den Sternen, von des Himmels Lauf und
Natur, und wie es um die Bilder des Himmels beschaffen wäre. Er
legte Wolfram auch Fragen vor. Weil dieser aber nur gelehrt war in
Gottes Wort, in andern Dingen aber unerfahren, so konnte er ihm
nicht antworten.
Da lachte der Teufel und schrieb mit seinem Finger in die Stein—
wand, als ob sie ein weicher Teig gewesen wäre: „Wolfram, du bist
ein Laie, Schnippenschnapp!“ Darauf entwich der Teufel; die Schrift
aber blieb an der Wand stehen. Weil jedoch viele Leute kamen, die das
Wunder sehen wollten, verdroß es den Hauswirt; er ließ den Stein
aus der Mauer brechen und ins Wasser werfen.
Klingsor aber, als er die Sänger versöhnt hatte, wollte nicht länger
bleiben, verabschiedete sich von dem Landgrafen, von dem er noch kostbare
Kleider und Kleinode zum Geschenke erhielt, und schied mit großem
Danke von der Wartburg. Wie er aber hinweggekommen, das wußte
niemand.