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2. Die Weichsel.
den Niederungen der Memel bis zur Deime haben die Litauer ihre
Wohnsitze. Die meisten Masuren und Litauer, sowie die Mehrzahl
der deutschen Bevölkerung in Ost-Preußen gehören zur evangelischen Kirche.
Mehr Katholiken wohnen in West-Preußen.
Links von der Weichsel, an der Ostsee nach Pommern hin,
liegt das Kassubenland. Ein slavischer Volksstamm, der hier wohnt
und Kassuben genannt wird, hat dem Lande seinen Namen gegeben.
Die Sprache ist der polnischen so verwandt, daß die Kassuben sich mit
Polen leicht verständigen können. Sie sind meist arm und wohnen in
Hütten von Lehmwänden mit Strohdächern und kleinen Fenstern.
Ost-Preußen besteht aus den Regierungsbezirken Königsberg
und Gumbinnen, West-Preußen aus den Bezirken Danzig und
Marienwerder.
2. Die Weichsel.
1. Ihr Lauf. Der Weichselstrom kommt weit von Süden her,
von dem Karpatengebirge. Er hat einen Weg von über 100 Meilen
(750 km) gemacht, wenn er oberhalb Thorn in Preußen eintritt.
Dann nimmt die Weichsel von links die Brahe auf, welche durch den
Bromberger Kanal die Netze, Warthe und Oder mit der Weichsel
verbindet. Der Strom fließt in behaglicher Breite ruhig dahin, bildet
ein stundenbreites, malerisches Thal, welches von bewaldeten Höhen um¬
geben ist. Da sind frische Auen, mit weidenden Herden bedeckt. Gelbe
Weizenfelder wechseln mit Buschwerk, und Obstgärten umgeben die
Bauernhöfe. Von den Höhen schauen bald die Ruinen alter Ritter¬
burgen, bald die hohen Giebel von Städten, bald die grünen Wälle einer
Feste. An dem Strome liegen Kulm und Graudenz, ein Stück vom
Strome entfernt Marienwerder. Einige Meilen unterhalb, nachdem
die Weichsel den Landrücken durchbrochen hat, teilt sie sich und sendet
nach Nordost die Nogat. Diese geht bei Mariendurg vorbei, wo sich
die prächtige ehemalige Residenz der Hochmeister des Deutschen Ritterordens
in ihren Fluten spiegelt. Unfern der Handelsstadt Elbing ergießt sie
sich in das Frische Haff. Die Weichsel selbst geht weiter nach Norden
an Dirschau vorüber, wo die riesige Brücke der Ostbahn über sie
führt. Der Hauptarm fließt bei dem alten ehrwürdigen Danzig, einer
der größten Festungen des preußischen Staates, vorbei in die Ostsee.
2. Die Niederungen an der Weichsel. Die Niederung
nimmt die ganze Fläche zwischen der Nogat und Weichsel bis nach
Danzig hin ein. Diese Gegenden gehören zu den gesegnetsten und
reichsten. Mannshoch steht der Weizen. Bis an die Brust reicht den
Rindern der Klee. Hohe Dämme ziehen sich an dem Strome entlang,
um die Fluren zu schützen.
Die Bewohner sind zum Teil Nachkommen der Holländer, die als
Kolonisten von den Ordensrittern in das Land gerufen wurden, Deiche
bauten und die Niederung mit Dörfern und mit Weilern bedeckten