fullscreen: Kaisers Bilder und Lebensbeschreibungen aus der Weltgeschichte

91. Napoleons Zug nach Rußland (1812). 207 
Freundschaft jedoch, welche der französische und russische Kaiser 1807 
auf jenem Floße im Niemen geknüpft hatten, war längst entzwei. 
Endlich wagte Alexander es sogar, die Festlandsperre für Rußland 
aufzuheben. Darüber ergrimmte Napoleon und beschloß nun, auch den 
Zaren zu demütigen. „Rußland," so sprach er in seinem grenzenlosen 
Hochmute, „wird von seinem Verhängnisse ergriffen; wohlan, es soll 
erfüllt werden!" Nun rüstete er das ganze Jahr 1811 hindurch; aus 
allen Ländern, von der Straße von Messina bis zur Ostsee, von den 
Pyrenäen bis zum Niemen zogen auf seinen Befehl die Kriegsscharen 
heran. Die Franzosen machten kanm den dritten Teil der Armee aus. 
Das zweite Drittel bildeten leider Deutsche aller Stämme. Die nicht¬ 
preußischen Deutschen gehörten ja sämtlich zum Rheinbünde; aber auch 
Preußen wurde gezwungen, 30000 Mann Hilfstruppen zu stellen. Das 
letzte Drittel bestand aus Holländern, Schweizern, Italienern, Oster- \ 
reichern und Polen, ja selbst Spaniern und Portugiesen. Im Frühjahr ^ 
1812 war die Armee in Ostpreußen versammelt, eine der glänzendsten, 
die die Welt gesehen hat; sie zählte 610000 Mann und schien unter 
einem solchen Führer stark genug, um die Welt zu erobern. Wie schwoll 
wohl dem stolzen Kaiser das Herz, als er diese Heeresmasse musterte, 
die ihn mit brausendem ..Vive l’empereur!“ empfing. Nur die 
Preußen blieben still und stumm, als er ihre Front entlang ritt. 
2 Smolensk und Vorodino (1812). Im Juni 1812 brach 
Napoleon auf. Kleine Abteilungen des Heeres entsandte er nach rechts 
und links; mit dem Hauptheer rückte er selbst geradeswegs auf Moskau 
zu. Das viel schwächere rassische Heer zog sich fechtend zurück, ver- 
wüstete aber alles vor den Franzosen her. Schon jetzt räumten Hunger, 
Erschöpfung und Krankheit furchtbar auf in der großen Armee. Bei 
Smolensk am Dnjepr stellten sich die Russen zum erstenmal zur 
Schlacht; sie wurden besiegt und zogen sich weiter zurück. Bei Borodino 
an ber Moskwa machten sie aufs neue Halt und rüsteten sich zu einem 
verzweifelten Kampfe um die ehrwürdige Zarenstadt. „Soldaten," sprach 
Napoleon, „hier ist die Schlacht, die ihr ersehnt habt. Der Sieg wird 
uns Überfluß, gute Winterquartiere und baldige Rückkehr ins Vaterland 
schaffen. Benehmt euch so, daß die Nachwelt von jedem unter euch 
sagen könne: .Auch er war in der großen Schlacht an der Moskwa!'" 
Die Schlacht war grausig, aber Napoleon blieb Sieger, und acht Tage 
später zog er in Moskau ein. 
3. Brand Moskaus. Aber nicht behagliche Ruhe war den 
Franzosen in Moskau beschieden. Die Russen hatten sich zu dem 
ungeheuren Opfer entschlossen, die Stadt den Flammen zu weihen. 
Darum waren fast alle Einwohner fortgezogen; in zahlreichen Verstecken 
aber saßen Männer, die zum Feuerlegen bestimmt waren. Schon in 
der Nacht nach dem Einzuge der Franzosen brannte es hie und da; 
in der folgenden Nacht schlugen allerorten Flammen empor, die der Wind 
anfachte und weitertrug; in der dritten Nacht (16. bis 17. September) 
sah der Welteroberer von den Fenstern seiner Wohnung mit Schrecken 
in ein Feuermeer, aus welchem nur noch die hohen Türme und Paläste 
schauerlich hervorragten. Die Feuergarben stiegen bis zu den Wolken,
	        
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