Full text: Deutsches Lesebuch für Volksschulen

6 
mutter hatte verschwören müssen, daß er von keinem Menschen sich 
wieder wollte die Seele verschreiben lassen, und da er auf andere 
Weise keinen Menschen in die Hölle bringen konnte. Und da stand 
er und wußte seines Herzeleids kein Ende und wollte sich die Hörner 
aus dem Kopfe raufen vor lauter Jammer und Grämen. — Da fiel 
ihm auf einmal etwas ein. 
Wie er in der alten Buche gesteckt hatte und nicht herausgekonnt, 
da war ihm zuletzt die Zeit lang geworden, und da hatte er über 
allerlei nachsimuliert und den Branntwein erdacht und erfunden. Das 
fiel ihm alleweil in seinem Herzeleide wieder ein, und da dachte er 
sich, das müsse ein Mittelchen sein, wie er doch wieder arme Seelen 
in die Hölle bekommen könne. 
Und er packte auf der Stelle auf und ließ die Hölle Hölle sein, 
und ging nach Nordhausen und wurde ein Schnapsbrenner und machte 
Branntwein drauf und drauf und zapfte und schenkte in die Welt hin¬ 
ein. Und er zeigte auch den Nordhäusern allen mit einander, wie 
der Schnaps gemacht wird, und versprach ihnen viel Geld und Gut, 
wenn sie's lernten und Branntwein brennten. Und die Nordhäuser 
ließen sich dies nicht zweimal sagen und wurden alle Schnapsörenner 
und thaten, wie sie gelehrt worden waren. Von dieser Zeit schreibt 
sich's her, daß bis auf den heutigen Tag so viel Branntwein in Nord¬ 
hausen gebrannt wird, wie an keinem andern Orte in der ganzen Welt. 
Aber wie sich's der Teufel gedacht hatte, also ging es auch. Wenn 
die Leute erst ein wenig Branntwein im Leibe hatten, da singen sie 
an zu fluchen und zu schwören und fluchten und schwuren ihre Seele 
zum Teufel, so daß der Teufel dieselbe bekam, wenn sie gestorben 
waren, und brauchte ihnen darum nicht zu dienen und sich eine Ver¬ 
schreibung geben zu lassen, wie er sonst hatte thun müssen, wenn er 
eine arme Seele hatte haben wollen. Und wenn sie sich den Kopf 
erst im Branntwein benebelt hatten, dann singen sie auch an, sich zu 
zanken und zu prügeln und brachen sich selber die Hälse, so daß sich 
der Teufel nicht erst brauchte die Mühe zu geben, sie ihnen herumzu¬ 
drehen. Und wenn der Teufel sonst mit aller Mühe und Noth alle 
Woche einmal eine arme Seele in die Hölle hatte bekommen können, 
so kamen sie statt dessen jetzt dutzend- und schockweise alle Tage hinein, 
und es dauerte kein Jahr, da war die Hölle zu klein geworden, der¬ 
gestalt daß der Teufel die Seelen nicht mehr unterbringen konnte und 
ein ganz neues Stück an die Hölle mußte anbauen lassen. 
Und kurz und gut, seit der Teufel aus der alten Buche jenes 
Mal wieder losgekommen ist, seit der Zeit ist der Branntwein aufge¬ 
kommen, und seit der Branntwein in der Welt ist, da kann man erst 
recht eigentlich sagen: 
Der Teufel ist los! 
Bechst ein.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.