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festgesetzte Tag. Mit einem fünfzehnjährigen Jüngling wurde sie
abermals den unerhörtesten Peinigungen unterworfen. Man geißelte
sie, ließ sie von wilden Thieren zerfleischen, band sie auf einen eiser¬
nen glühenden Stuhl, der ihren Leib röstete — Blandina ertrug
dies alles und stärkte noch durch unablässige Troftesworte ihren
jungen Leidensgenossen, bis dieser nach vielen Beweisen heldenmüthiger
Geduld sein Leben aushauchte. Zuletzt wurde sie in ein Netz gethan
und einem wüthenden Stier vorgeworfen, der sie mit seinen Hörnern
hin und her schleuderte und so ihren Märtyrertod herbeiführte.
Es wäre leicht, den eben erzählten Beispielen von der Wuth
der Verfolgungen, die über die Christen ergingen, und von der herr¬
lichen Glaubensfreudigkeit, welche sie in denselben bewiesen, noch eine
lange Reihe ähnlicher Geschichten hinzuzufügen. Unzählige hatten
gleich furchtbare Leiden zu erdulden, unzählige starben mit gleichem
Heldenmuthe. Es gibt keine Art von Qualen, keine noch so schreck¬
liche Todesart, die nicht über die Christen verhängt wurde. „Auch
wenn ich hundert Zungen hätte", sagt ein alter Kirchenlehrer, „so
könnte ich doch nicht alle die Verbrechen nennen, welche begangen
wurden, noch die Martern alle erzählen, die der Scharfsinn der
Obrigkeit gegen die große Menge der unschuldigen Christen ersonnen
hat." Aber was man durch die Verfolgungen zu erreichen suchte,
das gelang doch nicht. Die Ströme des vergossenen Blutes ver¬
mochten nicht, das Christenthum von der Erde zu vertilgen. Im
Gegentheil, die Verfolgungen dienten der Kirche nur zum Heile. Wie
man einen Schatz, um dessen Besitz man hat kämpfen und leiden
müssen, nur desto sorgsamer und treuer bewahrt, so wurde auch der
christliche Glaube durch die Bedrängniß seiner Bekenner nur desto
mehr in den Herzen befestigt. Und auch über die Heiden mußte der
Heldenmuth der christlichen Blutzeugen, ihre Standhaftigkeit unter
den größten Martern, die Freudigkeit, mit welcher sie das irdische
Leben Hingaben, um das himmlische zu gewinnen, die Dankgebete
und Loblieder, mit denen sie unter dem Schwerte oder in den Flam¬
men noch Gott priesen, eine gewaltige Macht ausüben. Ein Glaube,
der solche Wunder wirkte, eine Lehre, die solchen Trost verlieh, mußte
göttlich sein, mußte viele anlocken, die ohnmächtigen, todten Götzen
zu verlassen und zu dem lebendigen Gotte sich zu bekehren. So
mehrte sich selbst unter den Verfolgungen nur die Zahl der Christen,
und das Blut derMärtyrer, das den Glauben ersticken sollte, wurde
zum befruchtenden Thau, unter dem die Saat des Evangeliums nur
desto dichter und kräftiger aufschoß.