Full text: Deutsches Lesebuch für Volksschulen

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die Zierden und Stützen des königlichen Greises. Die fünfzehn Jahre 
seiner bisherigen Regierung sind so reich an unerhörten kriegerischen 
Erfolgen und an segensvoller Entwickelung der inneren Verhältnisse, 
daß kein früheres Jahrzehnt der deutschen Geschichte dem letzten an die 
Seite gestellt werden kann. Er ist der Wiederhersteller und Mehrer des 
Deutschen Reiches geworden: durch ihn ist erfüllt, was von den 
Edelsten des Volkes seit langer Zeit ersehnt war. 
Im Jahre 1864 brachte er Klarheit und Entschiedenheit in das 
verwickelte Verhältniß Schleswig-Holsteins zu Dänemark. Muthig 
vertrat er mit dem Schwerte das Recht der Herzogthümer und löste 
sie aus dem mehr und mehr unerträglich gewordenen Verbände mit 
einem undeutschen Staat; es war im wesentlichen sein Verdienst, 
daß diese schönen und reichen Provinzen Deutschland für immer 
zurückgegeben wurden. Aber noch herrlicher erprobte sich sein Muth 
und die Kraft des von ihm neugeschaffenen Volksheeres in dem 
wunderbar, glücklichen und raschen deutschen Kriege von 1866: 
er wies Österreich seine wahre und richtige Stellung zu unserm 
Vaterlande an und schuf zunächst in der größeren nördlichen Hälfte 
desselben durch die Herstellung des norddeutschen Bundes einen so 
mächtigen Staat, daß der deutsche Name wieder mit Achtung und 
Ehrfurcht in der Welt genannt ward. Aber zu noch größeren Dingen 
hatte Gott diesen frommen Streiter ausersehen. Die unruhigen und 
eifersüchtigen Franzosen, von jeher unsere schlimmen Nachbarn, konnten 
den Gedanken nicht ertragen, daß ihr Staat nicht mehr der mächtigste 
und gefürchtetste in Europa sei: unter den nichtigsten Vorwänden 
erklärte ihr Kaiser Napoleon III. unserm friedliebenden König den 
Krieg; noch einmal mußte er, und diesmal zum furchtbarsten Kampfe 
das Schwert ziehen. Napoleon hatte Arges gegen Deutschland im 
Sinne, aber aus diesen bösen Anschlägen ging Glück für unser 
Vaterland auf. Die süddeutschen Staaten vereinigten ihre Heere so¬ 
fort mit denen des Königs Wilhelm: er selbst zog an ihrer Spitze 
hinaus, um den frevelhaften Angriff abzuwehren. Und Gott war 
mit ihm. Unter unvergleichlichen Siegen drang er tief in Frankreich 
hinein: aber mitten unter den schwersten Kämpfen, in denen Nord- 
und Süddeutsche gemeinsam für das Vaterland ihr Blut vergossen, 
kam die langersehnte staatliche Vereinigung des norddeutschen Bundes 
mit Baiern, Württemberg und Baden zu Stande; in ungeheuren 
Schlachten, auf französischem Boden, hatte sich die deutsche Einig¬ 
keit erprobt. Seit dem 18. Januar 1871 haben wir wieder ein 
d e u t s ch e s R e i ch, und der König Wilhelm von Preußen ist K a i s e'r 
von Deutschland. 
Eine wunderbare Führung Gottes zeigt sich in dem Leben dieses 
auserwählten Fürsten. Er selbst hat in Erinnerung an diese Füh¬ 
rung gesagt: „Es kommt alles von der Gnade des Herrn, die Trüb¬
	        
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