Full text: Deutsches Lesebuch mit Bildern für Volksschulen

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so bedrohlichen Charakter angenommen, daß selbst Küstrin nicht mehr sicher 
schien; man flüchtete mit dem Prinzen daher nach Pommern. Hier sah er 
die Leiche seines Onkels, des Schwedenkönigs Gustav Adolf, als sie gerade 
eingeschifft wurde, um nach Schweden übergeführt zu werden. Der traurige 
Anblick machte auf das Gemüt des Knaben einen unauslöschlichen Eindruck. 
Einige Jahre später bezog er zu seiner weiteren Ausbildung die berühmte 
niederländische Universität Leyden. Von hier ging er nach dem Haag, der 
niederländischen Residenz, und ließ sich von den dort weilenden Gesandten 
der fremden Mächte in die Staatskunst einweihen. Dort versuchte man, ihn 
zu einem üppigen, ausschweifenden Leben zu verleiten, aber vergeblich; er 
verließ den Haag und eilte zu seinem Vetter, dem Prinzen Heinrich von 
Oranien, welcher gerade die von den Spaniern besetzte Festung Breda belagerte. 
Oranien erkannte sofort mit klarem Blick, daß diese That des Jünglings ein 
Vorzeichen künftiger Größe sei, und sprach die prophetischen bedeutungs¬ 
vollen Worte: „Vetter, Ihr habt einen schöneren Sieg erfochten, als wenn 
ich Breda eroberte! Ihr habt das gethan, Ihr werdet mehr thun!" 
Im Jahre 1640 starb der Kurfürst Georg Wilhelm, und nun bestieg 
der Prinz den Thron. Das Land, welches er regieren sollte, war durch den 
blutigen Krieg entvölkert, verwüstet und gänzlich verarmt. Allein der junge 
Fürst verzagte nicht. Zunächst suchte er seinem Lande den Frieden wieder¬ 
zugeben; er schloß daher mit den Schweden einen vorläufigen Vertrag, nach 
welchem sie nur noch in einigen festen Plätzen seines Landes Besatzungen 
halten durften. Dann wirkte er für die Herbeiführung eines endgültigen 
Friedens, der auch endlich im Jahre 1648 zu stände kam und dem furcht¬ 
baren dreißigjährigen Kriege ein Ziel setzte. Die eingetretene Friedenszeit 
benutzte der Kurfürst, um in seinem Laude Ordnung zu machen, den wider¬ 
spenstigen Adel zu bändigen und den daniederliegenden Gewerben auf jede 
Weise aufzuhelfen. Er gab zu dem Ende weise Gesetze, die sich trefflich 
bewährten. Nebenbei richtete er auch sein Augenmerk auf die Vergrößerung 
bes Kurfürstentums, und es gelang ihm auch mit Hilfe seines tapferen, von 
ihm herangebildeten Heeres, sowie durch kluges Verhandeln mit anderen Fürsten, 
biesen Zweck zu erreichen. Namentlich erwarb er die große und wertvolle 
Provinz Ostpreußen, die seinem Reiche später den Namen geben sollte, als 
unabhängiges Herzogtum. 
Das hervorragendste Ereignis in dem Leben des großen Kurfürsten war 
^ie Schlacht bei Fehrbellin. Als er nämlich im Vereine mit anderen deutschen 
Fürsten gegen die Franzosen ins Feld gerückt war, fielen die Schweden, durch 
den frauzösischen König Ludwig XIV. dazu bewogen, in Brandenburg ein. 
Furchtbar waren die Verwüstungen, die sie in den Ländern an der Havel 
unrichteten. Der Kurfürst erfuhr diese Vorgänge mit tiefem Schmerz, doch 
ohne sich dadurch in seiner Entschlossenheit beugen zu lassen. Durch einen 
'ooief ermahnte er die Brandenburger, nur noch eine Zeit lang geduldig 
Auszuharren; er werde bald kommen. Die Brandenburger kamen seinem 
Wunsche nach. Tausende von Bauern rotteten sich zur Notwehr zusammen 
und ließen ihre Fahnen wehen; auf den Fahnen aber stand: „Wir sind Bauern 
bon geringem Gut und dienen unserm Kurfürsten mit Leib und Blut!" Der 
Kurfürst rückte nun rasch mit 15 000 Mann heran. Magdeburg wurde besetzt, 
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