Full text: Deutsches Lesebuch mit Bildern für Volksschulen

ihm noch am schlimmsten zugesetzt, 
traf mit dem Knittel ihn so sehr, 
daß ihm verging Gesicht und Gehör. 
Wie toll sah man jetzt unter die Haufen 
5 der kampfbegierigen Weiber ihn laufen 
und tummeln sich mit ihnen herum, 
bis ihrer fünfe lagen im Strom. 
Stracks liefen alle, die Weiber zu retten, 
wie sie mit vieler Müh' auch thäten. 
10 Indes also die Feinde sich 
entfernten, Braun ans Wasser schlich. 
Vor Schmerz und Unmut brummt' er 
sehr; 
er glaubt', er könnt' nicht schwimmen 
15 mehr, 
und fing schon an, darauf zu denken, 
sich in dem Strome zu ertränken, 
um nur den Bauern zu entfliehn; 
da rettete der Zufall ihn, 
20 indem er fand, daß er noch schwamni. 
Wie dies das Bauernvolk vernahm, 
rief jeder aus mit Zorn und Grämen: 
„Wir müssen uns wie Narren schämen." 
Sie wurden jetzt den Trumm gewahr, 
worin der Bär ließ Haut und Haar. 
Das war den Bauern herzlich lieb; 
sie schrie'n: „Komm her, ohrloser Dieb, 
Handschuh und Ohr stehn hier zu Pfande!" 
So hatt' er zu dem Schaden noch 
Schande; 
doch war er froh, daß er entging. 
Den Trumm verflucht' er, der ihn 
fing, 
samt Reineken, der ihn verriet, 
daß er ging Haut und Ohren quitt. 
Er trieb in einer kleinen Weile 
den Strom hinab wohl eine Meile; 
dort kroch er mit betrübtem Sinn 
nach einem grünen Anger hin. 
„Ach Reinke (rief er), Bösewicht!" 
Den Bauern auch vergaß er nicht, 
der ihm das Fell zerdrosch im Loch, 
wo er so tief nach Honig kroch. 
19. Trau, schau, wem? 
(Sebastian Franck.) 
25 Ein Fuchs verkündete den Hühnern und Hähnen, die auf einem Baume 
saßen, einen ewigen Frieden, der da wäre angestellt mit allen Tieren, also 
daß fürderhin Wolf und Schaf, Fuchs und Hühner ewige Freundschaft und 
Bündnis mit einander haben sollten. Damit hätte er gerne die Hennen vom 
Baume geschwätzt. Aber der Hahn sagte: Das hör' ich gern! und reckte dabei 
30 den Kopf auf. Der Fuchs fragte: Was siehst du? Der Hahn antwortete: 
Ich sehe einen Jäger mit Hunden von ferne. Der Fuchs sprach: Da bleib' 
ich nicht. Antwortete der Hahn: Harre, so wollen wir auch mit dir hinab, 
wenn wir sehen, daß die Hunde mit dir Frieden haben. Der Fuchs sagte: 
Ei, er möchte ihnen noch nicht verkündigt sein; ich fahre dahin! 
35 20. Vom Raben und Käse. 
(Fabel. — Luther nach Äsop.) 
Ein Rabe hatte einen Käse gestohlen und setzte sich auf einen hohen 
Baum und wollte zehren; da er aber seiner Art nach nicht schweigen kann, 
wenn er isset, hörte ihn ein Fuchs über dem Käse kecken und lief zu und 
40 sprach: O Rab', nun hab' ich mein Lebtag nicht einen schöneren Vogel 
gesehen von Federn und Gestalt, denn du bist. Und wenn du auch eine so 
schöne Stimme hättest zu singen, so sollte man dich zum Könige krönen über 
alle Vögel.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.