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28. Pipin der Kurze.
(Baur.)
Pipin der Kurze war nicht groß,
doch Karls des Großen Vater,
5 in aller Weise fehlerlos,
ein treuer Volksberater,
der beste Held im Frankenreich,
der Kirche Wohlgefallen,
an Weisheit nur sich selber gleich,
10 an Tapferkeit vor allen.
War nicht geboren auf dem Thron,
doch für den Thron geboren.
Zum Herrscher war des Hammers Sohn
von Gottes Gnad' erkoren.
15 Papst Zacharias sprach dies Wort:
„Des Königs Würd' und Namen
gebührt der Völker starkem Hort!"
Und alle Welt sprach: „Amen!"
Doch unser Held, der Kurze, schien
20 zu klein manch' kleinen Geistern,
die maßen mit den Augen ihn
und hatten viel zu meistern.
Des schwieg der Held, und ritterlich
sinnt er, den Hohn zu dämpfen,
25 und lädt zum Spiele männiglich,
wo wilde Tiere kämpfen.
Schon eilt das Volk herbei mit Drang,
die stolzen Großen alle,
sie nahen beim Trompeteuklang
30 mit lautem Waffenschalle.
Still sitzt Pipin, gedankenschwer,
wie nahend Ungewitter
wirft er nur Blitze um sich her. —
Da rauscht herauf das Gitter.
35 Ein grimmer Leu, ein wilder Stier,
die stürzen in die Schranken,
begegnen sich mit Kampfbegier,
und keiner wollte wanken.
Jetzt aber faßt des Leuen Zahn
40 den Ur in dem Genicke
und reißt ihn nieder aus den Plan,
Blut, Feu'r und Wut im Blicke.
„Wer ist von euch," — so fragt Pipin
und blitzte durch die Reihen —
45 „wer ist von euch so stark und kühn,
entreißt die Beut' dem Leuen?"
Da machen große Augen zwar
ringsum die großen Leute;
doch jeder bebt vor der Gefahr,
und keiner will zum Streite.
Und wie noch alle schweigend stehn
und an dem Kampf verzagen,
sieht man Pipin zum Kampfplatz gehn,
allein den Kampf zu wagen.
Er ruft den blut'gen Löwen an
mit donnergleicher Stimme;
der stürzt auf ihn mit Wut heran
und brüllt vor wildem Grimme.
Und alles Volk sieht es mit Graus,
Pipin nur ohne Grausen;
sein gutes Schwert zur Scheid' heraus,
läßt's durch die Lüfte sausen
und schlägt den Löwen in den Bart,
daß tot er niederstürzet.
Das war ein Schlag nach Heldenart,
mit Heldenkraft gewürzet!
Nun rafft der wilde Ur sich auf,
den neuen Feind er wittert,
und rennt heran mit vollem Laus,
daß Schrank' und Boden zittert.
Doch unser Held steht mauerfest
und wankt nicht von der Stelle.
Das Schwert er wieder sausen läßt
und schwingt's mit Blitzesschnelle
und trifft den Schnaubenden so gut,
dicht an des Nackens Rande —
da spritzt zum Himmel schwarzes Blut,
das Haupt stürzt hin zum Sande.
„Wie nun, ihr großen Recken ihr,
was dünkt euch von dem Kleinen?
Mag nun der Held im Kampfrevier
euch groß genug erscheinen?" —
Es stehn beschämt die Spötter wert,
gesenkt die stolzen Blicke;
Pipin steckt ein sein gutes Schwert,
dann tritt er schnell zurücke.
Des Volkes Jubel aber füllt
ringsum die weiten Schranken;
empor ihn hebend auf den Schild
zeigt ihn der Frank' dem Franken.
Als König grüßt ihn alle Welt,
die Spötter müssen schweigen
und ihm, der Leu und Ur gefällt,
demütiglich sich neigen.