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in der Wische wieder. Die Art der Ansiedlung ist dieselbe wie in
Holland, nämlich einzelnliegende Höfe inmitten des dazugehörenden
Landes. Geschlossone Dörfér wie sonst in der Altmark giebt es
hier nicht.
Die riesigen Elbdeiche, die die wackern Kolonisten schufen,
waren jahrhundertelang zweckentsprechend. Vor der LEindeichung
hatte die Elbe im Winterhalbjahr alles Land meilenweit überschwemmt,
und der kurze Sommer reichte nicht hin, es zu trocknen, wenn sich
die trüben Fluten verlaufen hatten. Nun aber war die Elbe ge—
10 zwungen, in dem Bette zu bleiben, das ihr die Menschen wiesen;
und wuchs sie bei Hochwasser darüber hinaus, so fand sie links
und rechts hohe Dämme, die ihre Wassermassen wohl zu fassen
vermochten.
Wie der Nil das Land Agypten, so mulste die Elbe das
16 zwischen dem Strombett und den Deichen zu beiden Ufern liegende
Wiesen- und Weideland, die Einlage, mit ihrem Schlamme düngen.
Wohl drängte sich das tückische Wasser durch den Fuls der Deiche;
aber kleinere Dämme, Fangdeiche oder Qualmdeiche genannt, fingen
dies Dräng- oder Qualmwasser auf und führten es in Gemeinschaft
20 mit zahlreichen Entwässerungsgräben weiter unterhalb dem Strome
durch Schleusen wieder zu; Schöpfmühlen, vom Winde getrieben,
hoben es in hochgebaute Rinnen und sorgten dafür, dals das Land
ausserhalb der Deiche trocken blieb. Zwar brach die Elbe später hin
und wieder über die Deiche; aber immer fand sie sie das nächste
25 Mal breiter, fester und höher.
5. Wo ehemals das Schilfrohr im Winde schwankte, da breiteten
sich bald grüne Triften, wogende Weizenfelder und fruchtbare Obstgärten
aus. Wo vordem die gierigen Hechte ihre Beute haschten, da weideten
nun stattliche Pferde, glatté Rinder und wohblgenährte Schafe. Wo
80 einst nur wenige Fischer ein kümmerliches Dasein gefristet hatten,
da erwuchs dem Lande ein wohlhabender Bauernstand, dem selbst
Silbergeschirr in einer Zeit nicht fremd war, in der sonst der alt—
mãrkische Landwirt noch an recht einfache Sitten gewöhnt war.
6. Die Wirtschastsart ist in der Wische ebenso eigentümlich,
86 wie sie kostspielig und mühsam ist. Der Acker ist fast durch—
gehends ein schwerer Kleiboden, der zum Teil ganz schwarz aus—
sieht, zum Teil aus Lehm besteht. Der Lebhmboden ist der leichteste
und sein Ertrag der sicherste. Man muls gewisse günstige Zeitpunkte
wahrnehmen und der Witterung ihren woblthätigen Einfluls ab—
10 lauschen. Da nun diese nicht immer die erwünschte ist, so sind
auch die Ernten keineswegs so ergiebig, wie sie sein könnten und
wie man sie sich in den entferntern Gegenden vorstellt. Der
Weizen ist noch heute die Getreideart. auf deren Anbau die