Die deutsche Revolution. 1848—1849.
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liebende Mehrheit der Franzosen an der Spitze des Staates einen Mann
zu sehen, der geeignet wäre, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten
und weitere Erschütterungen zu verhindern; einen solchen Mann glaubte
man gefunden zu haben in dem Prinzen Louis Napoleon, welcher
der Sohn Ludwigs, des einstmaligen Königs von Holland, also ein Neffe
Napoleons I. war. Der Prinz hatte unter Louis Philipps Regierung
zweimal, in Straßburg und in Boulogne, einen Erhebungsversuch ge-
macht; beide Male aber war der Versuch mißglückt, und er hatte mehrere
Jahre in Festungshaft zubringen müssen. Jetzt wurde er zunächst in
mehreren Wahlkreisen zum Abgeordneten für die Nationalversammlung.
dann von der großen Mehrheit des Volkes zum Präsidenten der
Republik gewählt. Drei Jahre später, am 2. Dezember 1851, dem Er¬
innerungstage an die Krönung Napoleons I. und an die Schlacht bei
Austerlitz, unternahm er einen Staatsstreich, ließ die bedeutendsten seiner
Gegner verhaften und änderte die Verfassung in dem Sinne, daß seine
Machtbefugnisse wesentlich verstärkt wurden. Nachdem er sodann über
die Frage, ob das Kaisertum wiederhergestellt werden sollte, eine all-
gemeine Volksabstimmung veranstaltet und diese 7 800 000 bejahende
gegen 250 000 verneinende Stimmen ergeben hatte, machte er sich am
2. Dezember 1852 zum Kaiser der Franzosen. Er nannte sich
als solcher Napoleon III.; dabei rechnete er den Sohn des erstenNapoieon^ii.
Napoleon, den einstigen König von Rom, der nach dem Sturze seines 1852
Vaters bei Kaiser Franz, seinem Großvater, in Wien erzogen und als
Herzog von Reichstadt frühzeitig gestorben war, unter den Beherrschern
Frankreichs mit. Der neue Kaiser vermählte sich bald darauf mit der
spanischen Gräfin Eugenie von Montij o.y
§ 44. Die deutsche Märzrevolution. Die Nachricht von dem Sturze
Louis Philipps machte in Deutschland allenthalben den stärksten Ein-
druck und rief eine stürmische Erregung hervor. Überall wurden Volks-
Versammlungen abgehalten, Volksaufläufe fanden statt, den Regierungen
wurden Petitionen überreicht, und nirgend fühlten sich diese stark genug,
um der Bewegung Widerstand zu leisten. In den meisten Mittel- und
Kleinstaaten wurden die bisherigen Ministerien gestürzt, und neue,
liberale Regierungen, die sogenannten „Märzministerien", traten
an ihre Stelle. In München führte die Bewegung sogar dazu, daß König
L u d w i g I. die Regierung niederlegte; ihm folgte Maximilian II.
Von der größten Bedeutung aber war es, daß auch in Wien und
Berlin Aufstände ausbrachen. InÖsterreich war im Jahre 1835 auf