10 Europa.
_ Ähre geschichtliche Bedeutung. Den großen Alpenstraßen folgten auch
die Heereszüge der Völker, die den Besitz des sonnigen und prodnkteureichen
Landes begehrten, und so ist die Po-Ebene von jeher der Schauplatz großer
geschichtlicher Ereignisse gewesen; hier stritten die Römer mit den Galliern,
Puniern, Teutonen nnd Goten; Franken und Langobarden, Ghibellinen und
Welsen, Franzosen uud Deutsche, Österreicher uud Italiener kämpften, um die
Herrschaft. Die leichte Zugänglichkeit der Alpen von Deutschland her infolge
ihres Reichtums an tiefeingesenkten Pässen erklärt auch den engen geschichtlichen
Zusammenhang Deutschlands und Italiens und die lange politische Zugehörig-
keit italienischer Gebiete zum alten Deutschen Reiche und znr Österreichischen
Monarchie. Von Oberitalien ging auch die politische Einigung Italiens im vorigen
Jahrhundert aus.
Siedelungen. Die Lage der oberitalienischcn Städte ist dnrch den Zug der
großen Verkehrsstraßen bestimmt. Am oberen Po, wo die Straßen ans Frank-
reich zusammentreffen, liegt Turin (340000 Etnw.), eine der schönsten Städte
Europas und die Hauptstadt des keruigeu Volksstammes der Piemontcsen.
Am Vereiniguugspuukte der aus der Schweiz kommenden Alpenstraßen
erwuchs das verkehrsreiche Mailand, 1j2 Mill. Etnw., viel von Fremden besucht
wegen seines herrlichen Marmordomes, zugleich die größte Stadt Norditaliens uud
Hauptplatz der oberitalienischen Seidenindustrie. Der sreiheitsstolze nnd reiche
Bürgerstand der Stadt nahm im Mittelalter kühn den Kampf mit dem macht-
vollen Kaisergefchlechte der Hohenstaufen auf nnd stand an der Spitze des lom
bardischen Städtebnndes. Den Ausgang der Brennerstraße beherrscht die starke
Festung Verona. Padua mit einem kolossalen Dom, in dem die Gebeine des
hl. Antonius ruhen, ist wie Loreto eine der Hauptwallfahrtsstätten des katholischen
italienischen Volkes.
Venedig (150000 Einw.), nach dem vom Festlande aus eine lange Eisen-
bahnbrücke hinüberführt, war im Mittelalter die reichste nnd mächtigste Handels-
republik Europas. Von seiner einstigen Größe zeugen noch heute viele Kunst-
bauten, vor allem die zahlreichen Kirchen nnd Paläste, darunter die Markuskirche
mit ihren vielen Kuppeln nnd minaretartigen Türmen nnd der Dogenpalast.
Südlich vom unteren Po, in der sogenannten „Emilia", bestanden ehedem
mehrere kleine Fürstentümer, welche besonders eifrig die Pflege der Kunst be-
trieben; in Ferrara z. B. blühten die Este, an deren Hof der berühmte italie¬
nische Dichter Tasso weilte. Von anderen Wohnorten sind hier noch zu nennen
die ehemaligen Residenzen Parma und Moden a, das in der Geschichte be-
rühmte Canossa und Bologna (150000 Einw.), das bereits im Mittelalter
als die Stadt der Rechtsgelehrten bekannt war nnd heute ein wichtiger Kreuznngs-
Punkt von Bahnen ist. Von hier aus setzt sich die vom Mont Cenis über Turin
ühreude Linie über Anco na nach Brindisi fort, dem Ausgangspunkt von
Dampferlinien nach Indien, Ostasien uud Australien; zugleich zweigt sich von
Bologna jene Hauptlinie ab, welche über Florenz nnd Rom nach Neapel zieht.
Östlich'von Bologna, unfern der Adria, liegt Ravenna, die Residenz der letzten
römischen Kaiser,' dann Odoakers und des Ostgotenkönigs Theodonch des Großen.
Zur Zeit der Römer war es uoch Hafenstadt.