Landstraße und Eisenbahn. 
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94. sandstraße und ckisenbahn. 
Der hzerr Einnehmer. 
Die Chausseegeldeinnahme oder das Chausseehaus, wie die 
Ceute sagten, lag ganz am östlichen Ende des Dorfes hart an der 
Landstraße, welche die beiden größten Städte des Königreichs 
Sachsen verbindet und den Derkehr zwischen Ost- und West— 
deutschland vermittelt. Daher wogte hier vor der Erbauung der 
Eisenbahn viel Leben in doppelter Strömung nebeneinander hin 
und her. Tag und Nächt gingen Warenzüge, Staatskutschen, 
Wagen und Karren aller EArt, Reiter und Schlachtvieh vorüber. 
Der herr Einnehmer, ein stattlicher Mann, der in seiner 
Jugend als sächsischer Soldat Uapoleon J. nach österreich und 
Rußland gefolgt war, hatte viel zu tun. Er erhob Straßengeld 
und Brückenzoll von allen Zug- und Lasttieren, von Zwei-, Dier— 
und Achtspännern, selbst vom hundefuhrwerk, und mußte 
millionenmal versichern, daß die Brücke am entgegengesetzten 
Ende des Dorfes über die Parthe führe. 
Ceicht war das Amt des Einnehmers damals nicht. Aber 
unser alter Feldwebel von 1812 stand auf seinem Posten Tag 
und Uacht, wenn es sein mußte, war kurz und bündig und ließ 
sich nicht um einen heller betrügen. Im Uotfalle sperrte er die 
Straße mit dem großen, grün und weiß angestrichenen Schlag- 
baum, der majestätisch vor seinem Hause aufgerichtet war, und 
den er von seinem Amtszimmer aus leicht niederziehen konnte. 
Mit der Sicherheit eines Bankiers wies er falsches und aus— 
ländisches Geld zurück, gab den Quittungszettel erst dann aus 
den händen, wenn alles in Ordnung war, buchte sorgfältig das 
Eingenommene und lieferte allmonatlich den Ertrag an das Zoll⸗ 
amt in Leipzig ab. Darum war er auch gefürchtet und nach 
Derdienst gewürdigt in der ganzen Umgegend. Das kleine Hhaus 
mit dem hohen braunroten Ziegeldache, das niedrige Schalter— 
fensterchen über dem Zahlbrett, die große Laterne in der Ecke 
oben über dem Fenster und der grünweiße Schlagbaum, dies 
alles machte von weitem schon auf die Fuhrleute einen ge— 
bieterischen Eindruck.
	        
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