Full text: Lesebuch für Volksschulen

220 
l. Geographisches. 
und Acker, so wie auch die Häuser und Dörfer. Der Weingarten⸗ 
Besitzer muß doch auch ein wenig Wiese und Graswuchs für sein Vieh 
haben, womöglich auch etwas Acker und Garten. So liegt häufig der 
eine Teil der Besitzungen, nämlich Rodehecken und Weingärten, auf 
der einen Seite des Flusses, das Übrige auf der andern. Eben des— 
wegen ist in jeder Wirtschaft ein Kahn so nötig wie anderswo ein 
Wagen, um bei der Ernte die Trauben oder das Heu oder die Lohe 
oder das Getreide hinüber oder herüber zu schaffen. 
Groß ist die Mühe, welche der Anbau des edlen Weinstocks 
dem Menschen macht. Es geht von der heurigen bis zur nächsten 
Ernte die Kette von Arbeiten für den Winzer fast ununter— 
brochen fort. Den ganzen Winter über muß er die Schiefersteine aus 
den Felsen kratzen, zerhacken und in den Weinbergen zerstreuen. Sie 
halten den Boden feucht und düngen ihn, indem sie verwittern. Zu— 
gleich müssen, wenn es die Witterung erlaubt, die Mauern in den 
Weinbergen ausgebessert, die Felsen geflickt und gestützt werden. Dann 
im Frühlinge müssen die Winzer die Stöcke aufstellen, den Boden 
lockern, umgraben und düngen. Und hier fährt man nicht etwa mit 
einem vierspännigen großen Wagen den Dünger aufs Feld hinaus, 
sondern derselbe muß in kleinen Mengen oft stündenweit in die Berge 
hinaufgetragen werden. Der Landmänn hat im Sommer nur zuzu— 
schauen, wie die Kornähren wachsen, blühen und reifen; der Winzer 
darf seine Stecklinge fast das ganze Jahr nicht außer acht lassen. 
Gleich nach dem Aufstellen der Stöcke und dem Graben muß im Früh— 
jahr auch das alte Holz ausgehauen werden. Der Boden ist immer 
locker zu halten, damit er Licht, Wärme und Wasser in sich aufnehme. 
Die Winzer müssen ihn daher im Sommer abermals graben und den 
Weinstock von dem überflüssigen Holze befreien. Dies sind aber nur 
die großen, regelmäßig wiederkehrenden Arbeiten. Zwischendurch geht 
noch die kleinere Mühe und Not, das Anbinden losgerissener Zweige, 
das Jäten u. s. w. Außerordentlich sind auch die 
welche durch die Zerstörungen von Wind und Wasser veranlaßt werden. 
Der Regen richtet zuweilen große Verwüstungen an. Es sammeln sich 
wilde Bäche, welche den auf die Felsenabhänge gebrachten Erdboden 
wegschwemmen und den Acker von oben herabführen. So finden die 
armen Leute am Morgen zuweilen alle ihre mühselig berrrrn 
zerhackten und sorgfältig Erdklötze uünd Schieferstücke 
mit dem Erdreich ihrer Nachbarn am Fuße des Berges zu einer 
Schlammlawine vermischt. Um das beständige Hin- und Herschleppen 
der Gerätschaften zu vermeiden, haben die Weinbauer sich hie und da 
kleine Winzerhäuschen gebaut, die dann in der Zeit der Trauben— 
reife als Wachthäuser dienen. Sie gewähren vom Flusse aus einen 
sehr lieblichen Anblick. Zuweilen hat man irgend ein altes Mauer— 
werk, einen von den Rittern des Mittelalters oder gar von den Römern 
erbauten Wachtturm dazu benutzt. Zuweilen hat man bloß die Felsen— 
grotten und die Höhlen in den Bergabhängen mit verschließbaren 
Thüren und Eingängen versehen. Vor diesen Höhlen sitzen die Wächter
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.