Full text: Lesebuch für Volksschulen

1. Erbauliches und Beschauliches. 
auf eine bucklige Frau. „Und die hat er doch nicht geheiratet?“ 
Warum nicht gar? Laßt mich doch erst ausreden! Die alte Frau 
trottete gar emsig hinter einem jungen hübschen und wohlgekleideten 
Mädchen her, das eine Bürde Brechholz auf dem Rücken trug. Meister 
Hämmerlein, der beide nicht kannte, grüßte sie freundlich; aber mit be— 
sonderem Wohlgefallen ruhte sein Auge auf der schönen Tochter, wofür 
er das Mädcheü hielt. Er ließ sich mit ihnen ins Gespräch ein, und 
zu seiner nicht geringen Verwunderung erfuhr er, daß die Frau das 
Mädchen auch nicht einmal dem Namen nach kannte. Das gute Ding 
kam hinter mir her, sagte die alte, und sah, daß mir die Bürde so 
schwer war. Ich lehnte mich gerade an einen Baum und schnaufte 
ein wenig aus. Da nahm mir das liebe Kind den Huckepack ab und 
will ihn ins Dorf tragen. Das war ein Zug nach dem Herzen und 
für das Herz unsers Meisters Hämmerlein! „Ach, das ist brav!“ sagte 
er und klopfte freundlich dem Mädchen auf die Schulter. „Das ist 
auch der Rede wert;“ sagte dieses ganz verschämt. „Ich bin noch 
jung und stark und das alte Mütterlein ist schwach. Ob ich den Weg 
leer gehe oder das bißchen Holz trage!“ Das sprach von neuem zu 
Meister Hämmerleins Herzen. Er mußte nun alles wissen, was das 
gute Mädchen betraf. Zu seiner Freude erfuhr er, daß es nur andert— 
halb Stunden von ihm wohnte und eine Base in seinem neuen Wohn— 
oͤrte besuchen wollte. Die weitere Bekanntschaft wurde gesucht und 
gemacht, und, kurz und gut, — Meister Hämmerlein und Käthchen 
wurden ein glückliches Paär. Der Pfarrer des Ortes, welcher die Ver— 
anlassung zu der Heirat erfuhr, hielt ihnen eine Hochzeitspredigt über 
die Geschichte von Elieser und Rebekka, 1. Mos. 24, 48 51, und lobte 
den Bräutigam, daß er ein dienstfertiges Gemüt allen andern Rück— 
sichten vorgezogen hatte. 
Nun werdet ihr wohl nicht fragen, ob auch Frau Hämmerlein 
mit ihres Mannes gemeinnützigem Sinne zufrieden war. Wo etwas 
Gemeinnütziges geschah und wo einem Menschen unverhofft und im 
Stillen geholfen wurde, da hieß es: Das hat gewiß Meister Hämmer— 
lein oder seine Käthe gethan. — „Aber wie gings denn am Ende mit 
der Haushaltung unsers Meisters Hämmerlein? Uber den unverlangten 
Arbeiten inuß er ja eine Menge Zeit versäumt haben?“ — Allerdings! 
Aber Meister Hämmerlein dächte: „Versäume gern das Deine um 
deines Feindes, und also noch weit mehr um deines Freundes 
willen!“ (2. Mos. 23, 5.) — Doch die Versäumnis war so groß nicht, 
als ihr sie euch vielleicht denkt, und wurde ihm nach und nach reich— 
lich vergolten, ob ich gleich nicht sagen kann, daß er ein reicher 
Mann dabei geworden wäre. Wie viel war aber die allgemeine Liebe 
wert, welche er sich erwarb. Ich darf wohl sagen, kein Mensch war 
ihm feind, und wenn er auch einen Feind gehabt hätte, — wie lange 
koͤnnte man einem Manne gram bleiben, der jedem Freude zu machen 
und Freund und Feind vor Schaden zu bewahren suchte?“ — Nicht 
minder erntete er für seine Gemeinnützigkeit auch vorzügliche Achtung. 
Vor ihm hatten die Bauern des Orts einen Gemeinschmied ganz
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.