Full text: [Hälfte 1 = 5. Schuljahr, [Schülerband]] (Hälfte 1 = 5. Schuljahr, [Schülerband])

121. Johanna Sebus, 
185 
„Auch uns bedenke, bedrängt wie wir sind, 
die Hausgenossin, drei arme Kind'! 
Die schwache Frau! ... Du gehst davon!" — 
Sie trägt die Mutter durchs Wasser schon. 
„Zum Bühle da rettet euch! Harret derweil; 
gleich kebr' ich zurück; uns allen ist Heil. 
Zum Bühl ist's noch trocken und wenige Schritt'; 
doch nehmet auch mir meine Ziege mit!" 
2. Der Damm zerschmilzt; das Feld erbraust; 
die Fluten wühlen; die Fläche saust. 
Sie setzt die Mutter auf sichres Land, 
schön Suschcn, gleicb wieder zur Flut gewandt. 
„Wohin? Wohin? Die Breite schwoll; 
des Wassers ist hüben und drüben voll. 
Verwegen ins Tiefe willst du hinein!" 
„Sic sollen und müssen gerettet sein!" 
3. Der Damm verschwindet; die Welle braust; 
eine Mcereswoge, sie schwankt und saust. 
Schön Tuschen schreitet gewohnten Steg; 
umströmt auch gleitet sic nicht vom Weg, 
erreicht den Bühl und die Nachbarin; 
doch der und den Kindern kein Gewinn! 
4. Der Damm verschwand; ein Meer erbraust's; 
den kleinen Hügel im Kreis umsaust's. 
Da gähnet und wirbelt der schäumende Schlund 
und ziehet die Frau mit den Kindern zu Grund; 
das Horn der Ziege faßt das ein'; 
so sollten sie alle verloren sein! 
Schön Suschcn steht noch stark und gut — 
wer rettet das junge, das edelste Blut? 
Schön Suschcn steht noch wie ein Stern; 
doch alle Werber sind alle fern. 
Rings um sie her ist Wasserbahn; 
kein Schifflcm schwimmt zu ihr heran. 
Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf; 
da nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf. 
5. Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort 
bezeichnet ein Baum, ein Turm den Ort; 
bedeckt ist alles mit Wasserschwall; 
doch Tuschens Bild schwebt überall. — 
Das Wasser sinkt; das Land erscheint, 
und überall wird schön Suschcn beweint. -- 
Und dem sei, wer's nicht singt und sagt, 
im Leben und Tod nicht nachgefragt.
	        
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