121. Johanna Sebus,
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„Auch uns bedenke, bedrängt wie wir sind,
die Hausgenossin, drei arme Kind'!
Die schwache Frau! ... Du gehst davon!" —
Sie trägt die Mutter durchs Wasser schon.
„Zum Bühle da rettet euch! Harret derweil;
gleich kebr' ich zurück; uns allen ist Heil.
Zum Bühl ist's noch trocken und wenige Schritt';
doch nehmet auch mir meine Ziege mit!"
2. Der Damm zerschmilzt; das Feld erbraust;
die Fluten wühlen; die Fläche saust.
Sie setzt die Mutter auf sichres Land,
schön Suschcn, gleicb wieder zur Flut gewandt.
„Wohin? Wohin? Die Breite schwoll;
des Wassers ist hüben und drüben voll.
Verwegen ins Tiefe willst du hinein!"
„Sic sollen und müssen gerettet sein!"
3. Der Damm verschwindet; die Welle braust;
eine Mcereswoge, sie schwankt und saust.
Schön Tuschen schreitet gewohnten Steg;
umströmt auch gleitet sic nicht vom Weg,
erreicht den Bühl und die Nachbarin;
doch der und den Kindern kein Gewinn!
4. Der Damm verschwand; ein Meer erbraust's;
den kleinen Hügel im Kreis umsaust's.
Da gähnet und wirbelt der schäumende Schlund
und ziehet die Frau mit den Kindern zu Grund;
das Horn der Ziege faßt das ein';
so sollten sie alle verloren sein!
Schön Suschcn steht noch stark und gut —
wer rettet das junge, das edelste Blut?
Schön Suschcn steht noch wie ein Stern;
doch alle Werber sind alle fern.
Rings um sie her ist Wasserbahn;
kein Schifflcm schwimmt zu ihr heran.
Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf;
da nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf.
5. Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort
bezeichnet ein Baum, ein Turm den Ort;
bedeckt ist alles mit Wasserschwall;
doch Tuschens Bild schwebt überall. —
Das Wasser sinkt; das Land erscheint,
und überall wird schön Suschcn beweint. --
Und dem sei, wer's nicht singt und sagt,
im Leben und Tod nicht nachgefragt.