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Lothringen war von jeher ein Zankapfel zwischen den deutschen
Kaisern und den Königen von Frankreich. Kaiser Heinrich I. gab
seinem Schwager Giselbert jene Länder als ein Herzogthum und
Otto I. that dasselbe mit seinem Schwiegersöhne Conrad dem Wei¬
sen aus Franken. So geschah es auch von Otto II. und Hein¬
rich III. Lothringen blieb also anerkannt ein deutsches Lehn. Mit
Karl dem Kühnen begann eine neue Epoche; denn das Land kam,
da er ohne männliche Erben starb, an seine Tochter Jsabella, und
deren Schwiegersohn Friedrich, welcher Lothringen behauptete,
stiftete durch seine beiden Sohne, Anton und Claudius, die loth-
ringesche Haupt- und Nebenlinie, welche letztere in Frankreich sich
ausbreitete. Von der Zeit an (1M0) mischte sich Frankreich ent¬
scheidend in alle lothringesche Händel. Karl von Lothringen wurde
im 30jährigen Kriege, da er Oesterreichs Partei hielt, verjagt,
erhielt 1659 unter harten Bedingungen seine Länder wieder und
machte 1662 mit Frankreich den Traktat: daß Lothringen nach
seinem Tode an Frankreich fallen, auch das gesummte Haus Loth¬
ringen unter die Prinzen vom Geblüte gerechnet werden sollte.
Dennoch ward er noch einmal verjagt und starb in östreichischen
Kriegsdiensten. Erst seines Bruders Enkel, Leopold Josef, wurde
durch den Ryswicker Frieden (1697) wieder als regierender Her¬
zog von Lothringen eingesetzt. Endlich erlangte Frankreich i. I.
1735 doch seine Absicht, da Ludwigs XV. Schwiegervater, der
verjagte polnische König Stanislaus, die Herzogthümer Lothringen
und Bar zeitlebens erhielt, auch beide Länder nach seinem Tode
mit völliger Souveränität auf immer Frankreich zufielen und da¬
mit vereinigt wurden. Seit dieser Zeit blieb Lothringen eine
französische Provinz.
Die bereits erwähnte französische Landschaft Elsaß war ehe¬
dem ebenfalls ein deutsches Herzogthum, dessen letzter Besitzer der
unglückliche Conradin von Schwaben war. Elsaß gehörte seit 870
zum deutschen Reiche und bildete von 916 bis 1268 einen Bestand-
theil des Herzogthums Schwaben, nach dessen Auflösung es ein
unmittelbares Reichsland wurde. Jedoch brachte das Haus Oest¬
reich einen großen Theil von Ober-Elsaß nach und nach unter
seine Herrschaft. Frankreich hatte schon längst nach dem Besitze
dieser schönen Landschaft getrachtet, und da es von den Protestan¬
ten im 30jährigen Kriege zu Hülfe gerufen worden war, so ließ
es sich für den geleisteten Beistand im westfälischen Frieden 1648
ganz Elsaß abtreten, mit Ausnahme Straßburgs u. a. Reichs¬
städte, die es 1681 ohne Weiteres in Besitz nahm und die ihm
im Ryswicker Frieden 1697 förmlich abgetreten wurden.
Das angenehme, fruchtbare Land Elsaß ist eine Landschaft am
linken Rheinufer und erstreckt sich westwärts bis zu den Vogesen.
Durch die Lauter wird es im N. von der Pfalz getrennt. Die