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27. Der Mu und sein Hefokge.
Komm mit zur nächtlichen Waldfahrt! Ich kenne den Fu߬
pfad genau und werde dich sicher führen, daß du nicht strauchelst!
Es ist doppelt finster zur Nachtzeit im Walde; das Mond¬
licht malt nur schmale Silberstreisen zwischen den schwarzen
Stämmen hindurch. Alles sieht schwarz aus; Fels und Laub —
alles ruht schweigend. Unsere Einbildungskraft kann aus den
unbestimmten Umrissen sich alle möglichen Gestalten schaffen. Jener
Baumstumpf erscheint wie ein kauerndes Weib; der Busch daneben
gleicht einem Trupp von Leuten, der lauernd am Wege hält.
Dort der Steinblock ahmt die Gestalt eines Niesenkopfes nach;
sein Scheitel ist vom Mondlicht versilbert, und eine Zacke streckt
sich vor als lange, lange Nase.
Der Wald unserer Heimat birgt zwar jetzt weder Wolf, noch
Bär, die des Wanderers Leben bedrohen können; er hat aber
trotzdem zur Nachtzeit immer noch genugsam wirkliche Gefahren
für den, der nicht ganz genau in ihm Bescheid weiß. Die meisten
Waldwege sind holperig; im Finstern kann der Wanderer leicht
fallen. Kommt er vollends von dem schmalen Fußpfade ab und
verirrt sich im Dickicht, so droht ihm hier ein Sturz in die Schlucht,
dort Versinken im Sumpfe. Von allen Gebüschen, Kräutern und
Gräsern träufelt der Nachttau auf ihn herab und bringt ihm mit
einem unfreiwilligen Nachtlager im Walde mindestens eine tüchtige
Erkältung.
Aber fürchte dich nicht, mein lieber Neisegenoß; ich werde
dich nach kurzer Wanderung wohlbehalten znrückgeleiten zur
Wohnung!
Noch ist draußen der letzte Schimmer des Zwielichts nicht
verglommen, und schon beginnt im Walde das eigentümliche Leben
der Nacht. Für uns Menschen und für zahlreiche anbere Ge¬
schöpfe ist die Nacht die Zeit behaglicher Ruhe. Viele Blumen
schließen die Blüten und legen die Blätter zusammen. Die Tag¬
falter sitzen unter dem Laube und schlummern, und die Singvögel
schlafen im dichten Gebüsch. Allein eine ebenfalls nicht unbe¬
deutende Anzahl von Geschöpfen hält die Ruhe bei Tage und
erwacht mit der Abenddämmerung zum Leben und regen Treiben.
Mancherlei Käser ziehen summend und brummend an uns
vorüber. Abendfalter schwirren über den duftenden Blüten des