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er seinen Sohn draußen in der Stube umhergehen; aber es war nie¬
mand da. Auf dem Fenstersims, wo Rosmarin und Nelken blühten,
davon sich der Ausgewanderte noch einen Strauß auf den Hut gesteckt
hatte, lag das Gesangbuch des Alten, wie von jeher in ein weißes, baum¬
wollenes Tuch gewickelt. Auf diesem Tuche spielte der Mond, der von
den Bergen niederschien, jetzt gar so seltsam. Der Alte legte seine Hand
darauf, wie wenn es da etwas zu fassen gäbe. Endlich kehrte er wieder
in sein Bett zurück.
3. Am Morgen, als es zur Kirche läutete, ging der Alte mit seinem
Gesangbuch unter dem Arme dahin. Erst in der Kirche wickelte er es
aus dem Tuche, sah nach der Nummer des Liedes und blätterte sie, immer
die Finger netzend, mühsam auf. Aber plötzlich schrie er laut auf, daß
alle in der Kirche zusammenschraken, und sein Schrei übertönte die Ein¬
leitung der Orgel: „Heinrich, was hast du getan!" Da lag der Hundert¬
talerschein des Ausgewanderten — und das war sein ganzes Vermögen,
da lag es, hier auf dem Blatte.
„Das hat der Heinrich hineingelegt, und darum hat er noch gestern
gesagt: ,Vater, wenn Ihr morgen das Lied singt, denkt auch gut an michü"
Den ersten Vers konnte der Alte nicht mitsingen; aber beim zweiten
sang er mit, als ob er die Stimme seiner jungen Tage wieder be¬
kommen hätte.
Beim Ansgang ans der Kirche sprach alles davon, wie gut und
getreu der Ausgewanderte an seinem Vater gehandelt habe. Der Alte
sprach kein Wort. Er klemmte nur das Gesangbuch so fest unter den
Arm, daß ihm die Brust weh tat; aber dessen achtete er kaum.
4. „Ich hab' das Geld noch, ich hab's nicht angerührt, und es liegt
noch auf der Stelle, wo er's hingelegt hat", so sagte der Alte, und
ich mußte ihn ins Dorf und in sein Hänschen begleiten. Dort lag aus
dem Fenstersims das Gesangbuch, in ein weißes, baumwollenes Tuch ein¬
gewickelt. Der Alte tat das Buch heraus, und richtig, bei dem Gesänge
Nr. 143 lag der Hunderttalerschein.
„Warum habt Ihr das Geld nicht auf Zinsen angelegt?" fragte ich.
Der Alte lachte, und endlich ließ er sich zu der Antwort herbei:
„Das haben mir doch noch alle Leute gesagt. Da ist einer so ge¬
scheit wie der andre. Sie alle wissen nur eins: Verdienen. Aber ich
will nicht."
„Ihr habt die besten Zinsen von dem Gelde. Ihr nährt Euch von
dem guten Gedanken, daß Euer Sohn so brav ist", erwiderte ich.
„Schau, schau!" rief der Alte jetzt, „du bist der erste Mensch, der
das versteht. Du hast auch gewiß schon viel Gutes genossen von
Menschen, weil du das so verstehst. Tu bist nicht dumm, ich hab' dir's
gleich angesehen."
Der Alte war ganz glücklich, daß es noch einen so gescheiten