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Also gab ihm der Kaiser den Gulden und ließ sich genau von ihm
beschreiben, wie seine Mutter heiße, und wo sie wohne, und während
das Büblein zum dritten Doktor springt und die kranke Frau daheim
betet, der liebe Gott wolle sie-doch nicht verlassen, fährt der Kaiser zu
ihrer Wohnung und verhüllt sich ein wenig in seinen Mantel, also daß
man ihn nicht recht erkennen konnte, wer ihn nicht genau ansaht Als
er aber zu der kranken Frau in ihr Stübchen kam — und es sah recht
leer und betrübt darin aus — meinte sie, es sei der Doktor, und erzählte
ihm ihren Umstand, und wie sie noch so arm dabei sei und sich nicht
pflegen könne.
Der Kaiser sagte: „Ich will Euch denn jetzt ein Rezept verschreiben,"
und sie sagte ihm, wo des Bübleins Schreibzeug sei. Also schrieb er
das Rezept und belehrte die Frau, in welche Apotheke sie es schicken
müsse, wenn das Mnd heimkomme, und legte es auf den Tisch. Als
aber kaum eine Minute fort war, kam der rechte Doktor auch. Die
'Frau verwunderte sich nicht wenig, als sie hörte, er sei auch ein Doktor,
vhhb entschuldigte sich, es sei schon einer dagewesen und habe ihr etwas
verordnet, und sie habe nur aus ihr Büblein gewartet.
Als aber der Doktor das Rezept in die Hand nahm und sehen wollte,
wer bei ihr gewesen sei, und was für einen Trank oder was für Pillen
er ihr verordnet habe, erstaunte er auch nicht wenig und sagte zu ihr:
„Frau, Ihr seid einem guten Arzte in die Hände gefallen; denn er hat
Euch fünfundzwanzig Dublonen verordnet, beim Zahlamte zu erheben,
und unten daran steht: Joseph, wenn Ihr ihn kennt. Eine solche Arznei
hätte ich Euch nicht verschreiben können."
Da tat die Frau einen Blick gen Himmel und konnte nichts sagen
vor Dankbarkeit und Rührung, und das Geld wurde hernach richtig
und ohne Anstand von dem Zablamte ausgezahlt, und der Doktor ver¬
ordnete ihr einen Trank, und durch die gute Arznei und durch die gute
Pflege, die sie sich verschaffen konnte, stand sie in wenig Tagen Wieder¬
aus gesunden Beinen. Also hat der Doktor die kranke Frau geheilt
und der Kaiser die arme aus der Not gerettet. Johann Peter Hebel.
42. Ter brave Pommer.
Bei der Belagerung von Metz, die unsere braven Soldaten so
lange nötigte, den beschwerlichen Vorpostendienst zu versehen, der
durch das schlechte Wetter doppelt beschwerlich wurde, fiel bei einem
der Ausfälle, welche die Belagerten machten, unter einer großen An¬
zahl von Gefangenen auch ein Soldat des 33. französischen Linien-
Regiments in die Hände unserer Soldaten.
Das Aussehen desselben mußte jedem, der chn sah, das tiefste
Mitleid einflößen. Denn nur noch in Fetzen hingen ihm die Kleider
um den Leib und starrten überdies von Schmutz, der sie wie eine dicke
Kruste überzogen hatte. Die Schuhe waren wie aufgeweicht, ließen