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Schlingen und Fallen und schießt und prügelt mich zu Tode. So¬
lange ich aber noch Kräfte und Atem habe, zu laufen, lasse ich mich
nicht so leicht gefangen nehmen. Aberfällt man mich in meinem
Bau, so grabe ich geschwind einen andern Ausgang und fliehe mit
Weib und Kind davon und betrüge den Jäger, der nun vergebens
auf meinen Pelz lauert. Ist auch gleich meine ganze Höhle mit
Fallen umgeben und mir zur Flucht fast gar keine Hoffnung mehr
übrig, so leide ich doch lieber den grausamsten Hunger, ehe ich mich in
den ersten vierzehn Tagen zum Gefangenen ergebe, und versuche
alles mögliche, noch zu entkommen. Hilft aber alles nicht, je nun, so
ist es endlich einerlei, ob ich in meiner Höhle verhungere oder in der
Falle eines gewaltsamen Todes sterbe. Ich klaffe und seufze eher
nicht, als wenn man mich lebendig ergreift und zu Tode prügelt.
Auch das hält schwer, denn ich habe ein zähes Leben; oft scheine ich
tot, wenn ich nur auf einen günstigen Augenblick warte, meine Feinde
zu beißen und zu entfliehen.
Ich lebe ungefähr zwanzig Jahre und lasse mich nicht leicht
zähmen. Schlägt man mich des Winters tot, so gibt mein Balg
treffliche Pelzkleider. Ermordet man mich aber des Sommers, so
kann nur der Hutmacher meine Haare gebrauchen.""
78. Der Fuchs und die Trauben.
Ein Fuchs kam auf einem Gange nach Beute an einen Weinstock,
der voll süßer Trauben hing. Lange schlich er vor demselben auf und
ab, überlegend und versuchend, wie er zu den Trauben gelangen
könne, aber umsonst; sie hingen zu hoch. Um sich nun von den
Vögeln, welche ihm zugesehen hatten, nicht verspotten zu lassen,
wandte er sich mit verächtlicher Miene weg und sprach: „Die Trauben
sind mir zu sauer, ich mag sie nicht haben."
79. Der Sperling, genannt Spatz.
1. Der Spatz gehört zu den Gassenbuben unter den Vögeln.
Er sieht auch ganz danach aus. In seinem Kopfe stecken ein Paar
kecke Augen. Er schreit in den Tag hinein, wie es ihm in die Kehle
kommt. An seinem Anzug ist auch nichts Feines. Gewöhnlich trägt
er eine grobe, graue Jacke, auf welcher man nicht leicht Schmutz¬
flecken sehen kann. Er schont sie auch wenig und treibt sich damit in
Staub und Schmutz, in Wasserpfützen und auf den Feldern umher.
Alle Augenblicke hat er Händel mit seinen Kameraden, und dabei
gibt es ein Geschrei, daß man es im ganzen Orte hört. Vor den
Menschen hat er nicht die geringste Scheu. Zu seinem Neste ist ihm
jeder Platz recht; ein Palast oder eine Strohhütte, ein herrliches