Full text: Lesebuch für die Mittelstufe der evangelischen Volksschulen des Herzogtums Oldenburg

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Mit großem Geschick führt sie eine Mauer in die Löhe, immer nur 
ein ganz kleines Stück, so daß sie manchmal zwölf Tage baut, ehe 
das Nest ganz fertig ist. 
2. Bei dem Nestbau hat es die Schwalbe manchmal auf diesen 
oder jenen Ort ganz besonders abgesehen. So hatten einst im Früh¬ 
ling zwei Schwalben durch ein Schiebfensterchen den Weg in eine 
Schulstube gefunden. Als am Morgen die Kinder in die Stube 
traten, da gab es ein Verwundern, daß die behenden Tierchen in 
der Ecke zu bauen begannen. And als der Lehrer hereintrat, freute 
er sich über die kleinen Gäste und legte es den Kindern warm ans 
Äerz, sie nicht zu stören. Eine Woche und darüber waren es aber 
die Schwalben, die da störten. So oft sie zum Schiebfensterchen 
hereinflogen, um am Nest weiter zu bauen, fuhren die Köpfe der 
Kleinen von Lesebuch und Schreibheft in die Äöhe, und die Augen 
leuchteten vor Freude, wenn sie die munteren Tierchen so fleißig 
am Werk sahen. Als nun die Tage wärmer wurden, da flog auf 
einmal nur noch eine Schwalbe ab und zu. „O weh!" klagten die 
Kinder, „unser eines Schwälblein lebt nicht mehr; gewiß hat es ein 
Raubvogel gefangen und zerrissen." Da lächelte aber der Lehrer 
und sagte: „Nicht also, sondern unser Schwälblein sitzt im Neste; 
wartet nur geduldig und stört das Vöglein nicht, so sollt ihr eure 
Freude an ihm haben!" 
3. And es war, wie der Lehrer gesagt hatte. Etwa zwei Wochen 
mochten vergangen sein, da flogen wieder alle zwei Schwalben aus 
und ein. Äatten sie sich aber früher fast den ganzen Tag im Freien 
herumgetummelt, so flogen sie jetzt eins um das andere ab und zu. 
„Sie haben Junge im Nest," sagte der Lehrer zu den Kindern, „die 
haben stets Äunger, und da müssen ihnen die Alten Mücken und 
Fliegen zutragen." And oft hörte man auch das leise, fröhliche 
Piepen der Jungen, das klang ganz wundersam, wenn vielleicht 
gerade der Lehrer redete von der Güte des himmlischen Vaters gegen 
alles, was da lebt und webt. And wieder nach einigen Wochen 
waren den jungen Schwälblein die Federn gewachsen, und sie wurden 
flügge. Da litt es sie nicht mehr im Nest, und sie kamen hervor 
eins nach dem andern und regten die Flügel. Anfangs ging es noch 
schlecht; eins flatterte auf den Schrank, das andere setzte sich auf 
den Ofen, das dritte gar kehrte ängstlich wieder in das sichere Nest 
zurück, Aber da waren auch die Alten zur Land. Die machten 
ihnen mit frohem Gezwitscher Mut und zeigten, wie man es machen 
müsse beim Fliegen, und das ging dann bald so gut, daß die Jungen 
so geschickt flogen wie die Alten. Einige Tage sind dann die Jungen 
noch in der Schulstube umhergeflogen und haben die Fliegen weg- 
gefangen; dann aber, als sie durch das Schiebfensterchen einmal 
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