Full text: Lesebuch für die Mittelstufe der evangelischen Volksschulen des Herzogtums Oldenburg

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um an Rüstungen und Hufbesclilag ihre Kunst zu erweisen. Zwischen 
dem Waldesrand und den Schranken trieben sich Städter und Dorf¬ 
leute umher zu Fuß und zu Roß. Viele waren aus großer Ent¬ 
fernung aufgebrochen und hatten die Nacht bei Bekannten in der 
Nähe oder gar im Freien am flammenden Feuer zugebracht. Lange 
vor Beginn des Festes schallte der Lärm zum Himmel. Die Sänger, 
welche die Fahrt begleitet hatten, sangen von den Taten ihrer 
Helden. Die Geiger spielten lustige Reigen, Rosse wieherten, die 
Verkäufer luden schreiend zu ihren Buden, die Menge schwatzte 
und lachte. Um jeden, der Bescheid wußte, sammelte sich ein Haufe 
Neugieriger, die sich die Wappen und Namen der Ritter erklären 
ließen und ihre Vermutungen über das Glück der einzelnen aus¬ 
tauschten. 
2. Während der Kämmerer des Edlen Ivo von Ingersleben, Herr 
Godwin, mit seinen Knechten in den Schranken umherritt, sie von 
Knaben und vorwitzigem Volke freizuhalten, standen die „fahrenden 
Leute“, die als Turniergehilfen der Kämpfer in Sold genommen 
waren, in großen Haufen unweit der Eingänge. Denn als Helfer 
der Knappen mußten sie sich in das Gewühl der Männer und Rosse 
werfen, um Geworfene zu retten, Speertrümmer aus dem Wege zu 
räumen, Speere aufzuheben, kleine Schäden an Riemzeug und Rüstung 
zu bessern. Die Übung half ihnen; aalgleich wußten sie sich zwischen 
den Reitern und unter den Rossen durchzuwinden. Wenn aber einer 
von ihnen getreten und verwundet wurde, hatte er den Schaden und 
geringen Dank. 
3. Unterdes trugen in Erfurt die Knappen der Ritter, die an 
dem Turnier teilnehmen wollten, die Schilde anmeldend nach der 
Herberge, in welcher der alte Graf von Orlamünde als erwählter 
Turnierrichter saß. Durch ihn wurden die Kämpfer in zwei Parteien 
geteilt und nach ihrem Wunsch entweder Herrn Henner, Ivos 
Marschalk, oder einem Dienstmann der Grafen von Gleichen zu¬ 
gewiesen. Denn Markwart von Gleichen hatte die Führung der 
Gegner übernommen, und alle, die dem Herrn Ivo abgeneigt waren 
oder ihre Kraft gegen die Herausforderer versuchen wollten, sam¬ 
melten sich unter seinem Banner. Die Mehrzahl der Kämpfer aber 
ging zur Messe und tat heimliche Gelübde für einen guten Ausgang; 
denn der Kampf im Turnier bedrohte mit weit größerer Gefahr als 
das Speerrennen der einzelnen. Wer in die Hände der Gegner fiel 
oder gar vom Rosse geschleudert wurde, der hatte schlechte Behand¬ 
lung und Schaden an Leben und Gliedern zu besorgen.
	        
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