Jetzt taucht das Hinterteil in die Fluten, eine Riesenwoge vor sich
herschiebend; die Hemmungsanker, gewaltige Balken an eisernen
Ankerketten, fliegen aus ihren Sicherungen heraus; auf dem jenseitigen
Oderufer flüchten Hunderte von Menschen vor der heranrollenden
Woge; an Bord des Schiffes schwenken die Leute des „Vulkan"
jubelnd die Mützen. Jetzt taucht der Bug des Schiffes ins Wasser,
der Dampfer macht seine vorschriftsmäßige Verbeugung, und unter
dem Jubel der Tausende von Zuschauern hat das in der Geschichte
des deutschen Schiffbaues seit langem bedeutsamste Ereignis sich
vollzogen.
P. Neubauer. (Die deutsche Handelsmarine und der deutsche Schiffbau in der Gegenwart.)
63. Ein Tag auf einem Kriegsschiff.
Bilder aus dem Leben an Bord.
1. Der Seemann hat seine eigene Sprache. Bei ihm schlägt die
Uhr nicht, sondern „es glast“; denn in früheren Zeiten wurde die
Schiffsglocke angeschlagen nach Maßgabe des halbstündlich umge¬
stürzten Glases der Sanduhr.
„Zwei Glas“, d. h. 5 Uhr morgens, meldet der „Läufer“ dem
auf der Kommandobrücke auf und ab gehenden Wachtoffizier.
„Schlagen!“ schallt der Befehl.
Zwei helle Schläge hallen über das Deck und über das stille
Wasser des Hafens. Die See draußen liegt in Glanz und Purpur.
Im Osten geht die Sonne auf, die Toppen der Masten vergoldend
und über die weißen Deckplanken rosiges Licht werfend.
Das „Wecken“ geht durchs Schiff. An Deck treten die Spiel¬
leute, Pfeifer und Trommler, an, und nach altem Brauch schallt die
fröhliche Musik hinaus über das aufrauschende Meer. Mit dem letzten
Schlage des Trommlers nach dem „Gebet“ pfeifen Bootsmann und
Bootsmannsmaate: „Überall!“
Wie’s da in den Hängematten lebendig wird! Da gibt’s kein
Besinnen. Schnell heraus und ins Zeug gefahren!
2. Es ist ein hartes Leben, das Seemannsleben. Vom Deck¬
waschen in der ersten Frühe, bis um 9 Uhr abends dröhnend der
Ruf durch alle Decke schallt: „Ruhe im Schiff!“ ist’s eine ununter¬
brochene Kette von Segel-, Geschütz- und Gewehrexerzieren, von
Dienst-, Gefechts- und Steuerinstruktion, von Unterricht im Loten
und Schießen, von Zeugwäsche und Zeugflicken, von Handwaffen-
und Geschützputzen. Dazwischen gibt’s in See Freizeit von 12—2 Uhr
H Iris Lesebuch für Pommern. AuSg. B. UI. 7