115
int Hause des Alten, zum Reden oder eigentlich mehr znm Schweigen.
Old Peer winkte jedem blos;: „Sitt dal!" Ab und zn, wenn er guter
Laune war, gab's für die Gäste einen Napf mit heißem Trunk gleich
dem seinigeu. Er konnte den Wirt machen; denn die dicke Eichentruhe
unter seiner Bettlade steckte voll Beuteln mit Silbermünzen aller Länder
und Städte an der Ostsee von Reval bis nach London, und die größte
und hurtigste Snigge, die sich im Stralsnnder Hafen schaukelte, fast einer
Kogge gleich, war sein. Das alles war ihm aus Millionen Heringsslossen
herangeschwommen; wie das Sprichwort redet, auch die reiche Stadt
Amsterdam im Niederland sei ans Heringen gebaut. An Gut und Geld,
Ansehen und Aussehen hatte Old Peer etwas von einem der alteil See¬
könige, die vor tailsend Jahren hier an der Küste gesessen.
Heut' abend war er freigebig; denn wenn ein Gast eintrat, nickte er
nicht nur: „Sitt dal!" sondern sprach hinterdrein: „Swanke, to drucken!"
Der Allstrag drehte sich nach dem Herd, wo der Riesenkessel über dem
Feuer brodelte. Daneben stand Swaneke Schüddekop, die Tochter des
Alten, etwa zwanzig Jahr alt. Sie war vom selben Schlag wie all die
Mannsleute, hochwüchsig und breit in den Schultern; ihre Hand hob den
schwergefüllten Kessel, als sei er leer, und man sah, wie die kräftigen
Muskeln des Armes ihr dabei unter dem dunkelblauen Ärmel ans eigen-
gemachtem Zeug anschwollen.
Swaneke trug die dampfenden irdenen Gefäße hin und wieder, nnb
die niedrige Stube war voll von lippenschlürsenden, schweigsamen Fischern.
Draußen im Dunkel sauste der Wind und klatschte der Seeanschlag. Wie
die Uferwellen manchmal murrend einen Flintkiesel zwischen den Kies an
den Strand rollten und znrückebbend wieder mit sich nahmen, so fiel dann
und wann ein Wort zwischen den Zähnen eines Mundes heraus. Sie
hatten nicht viel zn sagen und branchten's erst recht nicht, da sie mut¬
maßlich alle nur wenig, doch das gleiche dachten. Ab und zu dröhnte
einmal etwas über den Gellen, ein verwehter, dumpfer, aber doch schärfer
abgesetzter Ton als das Gerohr von Lust und Wasser. Man kannte es
hier bald seit einem halben Jahr, nächtliche Kartannenschüsse waren's von
den feindlichen Werken drüben vor der umlagerten Stadt.
2. Nun kam's wieder, stärker vom Wind hergetragen, und Peter
Schüddekop hob die graue Scheitelmähne gegen seine Tochter und heischte
von ihr: „Lang' dat Book vun't Schapp dal, Swanke, un les' uns dat
vör! West wat, vnn old Clas!"
„Brnk' ick nich, Badder; dat kann ick utwennig", antwortete das
Mädchen mit einer tiefen Brnststimme, wie die wuchtige Körpergestalt sie
erwarten ließ. Sie holte das Buch von dem hohen Wandschrankbord
8*