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sie jetzt gegen den östlichen Widerwind ans, der sie zwang, in langen
Schlägen zwischen der pommerschen Küste und Hiddens-Oe zn kreuzen.
Die Herzen unter den dicken Wämsern klopften wohl mit einem kräftig-
stolzen Schlag, aber der Mund tat nach Väterart und Landesbrauch wenig
davon kund. Jeder vollzog ruhig die ihm zufallende Arbeit; die toten
Feinde waren über Bord geworfen, und niemand hätte mehr geahnt, welch
wilder Tumult ans Tod und Leben noch vor kurzem zwischen den Kastellen
gebrüllt. Wie ein friedliches Kauffahrteischiss zog die Kogge mit ihrer
sonderbaren Ladung im Binnenranm dem Gellen zu.
Zur Rechten stiegen im Morgenlicht die Türme von Stralsund auf.
Noch ein kurzer Schlag, da lief die Kogge wider die Userbrücke der Stadt.
Viel Volk stand drauf und sah verwundert dem fremden Orlogschiff ent¬
gegen. Nun sprang Old Peer auf; weißnmflattert, die grellen Augen in
die Gesichter am Ufer hineinbohrend, reckte er wie ein alter Seekönig die
Hünengestalt vom Vorderkastell und schrie über Stralsund:
„Old Clas vun de Lipp kummt vnn Dänholm!"-
Von der Armada des „Generals des Ozeanischen und Baltischen
Meeres" stach kein zweites Schiff in See. Gustav Adolf von Schweden
landete 31t Usedom an der pommerschen Küste; der neue Herzog von
Mecklenburg ließ Thron und Land, wie es um ein Jahrzehnt früher der
böhmische Winterkönig getan, und die befreite Stadt Stralsund hatte mit
Ketten, wenn nicht am Himmel, so doch am Meere festgehangen.
Wilhelm Iensen. (Aus schwerer Vergangenheit. — Gekürzt.)
69. Das Gefecht bei Jasmund.
1. Der 17. März 1864 brach als ein herrlicher Frühlingstag an.
Klar und goldig tauchte die Sonne aus der Ostsee empor und küßte die
smaragdenen Flntell. Wie ein endloser Spiegel breitete sich die von keinem
Windhauche getrübte Wasserfläche vor dem Beschauer aus, und nur leise
rauschten die Wellen an den Strand.
Ein weißlicher Nebelstreis, der Vorbote dauernd schönen Wetters,
lagerte wie ein Schleier über dem Seestrande und dem Hafen von Swine¬
münde. Anfänglich ragten aus ihm nur die Mastspitzen der Schiffe und
der riesige Fenerturm hervor, dessen Glasknppe lvie ein Diamant im Lichte
der Frühsonne strahlte. Als diese jedoch höher stieg, zerteilte er sich und
enthüllte dem Auge den Anblick des ganzen Hafens.
Ant Ansgange des letzteren lagen, am Bollwerke befestigt, zwei größere
Dampfschiffe, die beide sich zum Abgänge vorbereiteten. Aus ihren Schorn-